#16

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.02.2020 20:43
von Susanne • 4.593 Beiträge | 4611 Punkte

Das finde ich super, dass Du mit dem Thema offen umgehst, Anja!

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#17

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 12.02.2020 17:13
von Steffi1983 • 1.347 Beiträge | 1356 Punkte

Das hast du echt passend ausgedrückt Anja. Ich habe mit meinen Arbeitskolleginnen auch offen über das Thema geredet und fast alle (! So viel zu selten) haben das schon durch. Auch manchen Kindern in der Schule habe ich es gesagt, dass es das erste Mal nicht geklappt hat. Die haben ganz offen von ihren Sternengeschwistern erzählt. Mehreren ist das auch öfters passiert in der Familie. Ich finde es gut, wenn das ganze enttabuisiert ist.

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#18

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 03:06
von Waleria
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Eure Worte geben mir den Mut dass nicht etwaa an mir falsch ist ...
eine Woche ist es nun her dass wir nach 9 ssw Abschied nehmen mussten... diese Zeit war für uns so intensiv so voller Freude und purem Glück.
Und dann ist auf einmal diese große Leere
Mein Partner und ich haben eine sehr gute Gefühls-u Gesprächsbasis... doch dann fühlte ich mich bereit für Gespräche mit Freundinnen ... schlussendlich versorgte ich diese mit Kaffee während sie mir über ihre Hauspläne erzählten, und den ganzen Alltagsunwichtigkeiten... innerlich schrie ich :"ich habe gerade mein erstes Kind verloren!! es wurde mir genommen, ich konnte einfach NICHTS dagegen tun, die Liebe war schon so groß"
so ging es mir danach schlechter... hatte versucht darüber zu sprechen... konnte den unsicheren Blick der Freundinnen nicht ertragen... fühlt mich zusätzlich schuldig sie in solch eine Situation zu bringen. Auf ein "sorry dass ich nicht die richtigen Worte finde" antworte ich "das passt schon, es is für dich auch eine unangenehme Situation"
WTF?
was kommt da raus aus meinem Mund? ich weine, trauere, zerbreche und hab auch noch körperliche Schmerzen und entschuldige mich noch dafür bei meinen engen Freundinnen????

ich habe nun ehrlich Angst wie das weitergeht, ob Freundschaften zerbrechen, meine beste Freundin is nun in der 14.ssw und bei der Umarmung spürte ich nur ihren Bauch ... und konnte nicht verstehen dass meiner so Leer ist

ich liebe mein Kind so sehr, die Zeit die wir hatten war so magisch, so schön

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#19

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 07:48
von Susanne • 4.593 Beiträge | 4611 Punkte

Liebe Waleria, mein Mitgefühl für Deinen Verlust, man liest den großen Schmerz aus Deinen Zeilen raus und Du sprichst sicher vielen Frauen aus der Seele. Viele, auch ich, werden diese unbeholfene, unsensiblen Reaktion des Umfeldbei der Konfrontation mit der Fehlgeburt erlebt haben. Die allerwenigsten gehen damit so um, dass man sich verstanden und aufgehoben fühlt. Man war fast schon selber peinlich berührt und hatte ein schlechtes Gewissen, wenn man diese strauchelige Reaktion des Gegenübers mit ansehen musste. Ich weiss heute noch, wer sich damals nicht adäquat verhalten hat. Der Stachel sitzt tief.

Schwierig bei Dir ist die Konstellation "schwangere beste Freundin", ich hoffe, Ihr seid so eng, dass sie empathisch sein kann.
Auf jeden Fall freue ich mich, dass Du den Weg hierher gefunden hast, denn hier wirst Du auf liebe Frauen treffen, die dich voll verstehen und nachempfinden können, wie es Dir geht. Ich hoffe, der Austausch tut Dir gut! Susanne

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#20

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 09:09
von . Marichen • 91 Beiträge | 91 Punkte

Guten Morgen, wow dein test hätte aus meinem Herzen stammen können. Diese Leere, die vorher die größte Freude war. Ich war noch nie so launisch wie im Moment, im ersten Moment fröhlich und dann zack ein Gedanke und alles Bröselt wieder vor mich hin. Ich fühle so stark mit dir und hoffe dass wir hier im diesem forum noch weitere nette Worte finden und anderen schenken können, so dass wir alle wissen wir sind nicht alleine und wir können drüber sprechen, ich finde in der Welt gibt es einfach viel zuviele Tabuthemen, wo dieses leider dazu gehört. Ich drücke dich aus der Ferne, wir schaffen das zusammen 🌸 ich habe so viele positive Geschichten schon gelesen, das Blatt wendet sich und darauf müssen wir bauen 🌸

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#21

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 09:54
von Steffi-3009 • 676 Beiträge | 685 Punkte

Liebe Waleria,
es tut mir leid, dass auch du die traurige Erfahrung machen musstest und immernoch musst.
Ich kann dir auch aus eigener Erfahrung sagen, dass die Menschen um einen herum einfach nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen und was sie sagen sollen. Eine meiner besten Freundinnen hat sich sogar komplett von mir abgewandt, ich habe nichts mehr von ihr gehört seitdem.

Entschuldige dich nicht für dein Verhalten. Rede wenn dir danach ist, auch mit deiner schwangeren besten Freundin. Sie wird das alles ganz bestimmt verstehen, dass du keine Kraft für Alltagsdinge hast. Irgendwann kommt das wieder. Vielleicht versuchen sie auch nur, dich abzulenken. Aber trauere, so lange du trauern musst.
Es ist immer schwierig, auch für mich, mit schwangeren konfrontiert zu werden. Mir hilft persönlich immer zu sagen: es kann doch keiner dafür, was ich durchmachen musste. Das soll einfach kein anderer erleben. So habe ich ein besseres Gefühl und kann besser mit mir und meinen Gedanken umgehen. Vielleicht hilft dir das auch ein wenig, auch wenn es noch weiter schmerzen wird, deine Freundin zu sehen.
Es kommt bestimmt Die Zeit, in der ihr es wieder versuchen möchtet und Hoffnung habt. Das wünsche ich mir sehr für dich. Gebt nicht auf 🍀

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#22

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 12:20
von Saranda • 313 Beiträge | 313 Punkte

Liebe Waleria,
genau der gleiche Satz ging mir damals auch im Kopf rum. Meine Fehlgeburt war zu Beginn von Corona, alles drehte sich nur darum, jeder sprach nur darüber und ich dachte mir nur: Ich habe gerade mein erstes Kind verloren! Man hat einfach gar keinen Kopf für jegliche andere Themen - aber das wird besser!
Meine beste Freundin ist schwanger, sie steht kurz vor ihrem ET und war zu dem Zeitpunkt über den kritischen Punkt hinweg und trotzdem meinte sie, sie hat das sehr stark berührt, weil sie die Sorge um das eigene Ungeborene total nachvollziehen konnte. Ich glaube, man ist da ja auch sehr feinfühlig und möchte sich auch selbst schützen, daher ist es für eine Schwangere auch sehr schlimm, von dem Verlust zu hören. So jedenfalls war es zwischen uns. Ich bin jemand der sehr offen spricht und sich Raum nimmt, was sicher nicht jede so macht, aber mir hat es geholfen weil es dadurch zwischen uns immer mal wieder Thema war und damit nicht in den Hintergrund gerückt wurde.
Es kann aber natürlich auch sein, dass dir Abstand besser tut. Ich konnte meine Trauer beizeiten trennen von ihrem Glück und freue mich riesig für sie.
Vielleicht kannst du das ja auch mit der Zeit.
Liebe grüße


Sternchen 12 SSW am 15.03.20
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#23

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 12:26
von Waleria • 4 Beiträge | 4 Punkte

Ihr Lieben!
DANKE ich fühl mich so verstanden und das tut unheimlich gut ! 💚
Zusätzlich zu meiner Trauer hatte ich die letzten Tage dieses Gedankenkreisen ob ich mich jemals wieder "normal" in dieser Gesellschaft fühlen werde... eure Worte helfen mir mutig zu sein.

Ich möchte auch kein Geheimnis draus machen, und die Welt da draußen aufmerksam machen, ich finde allgemein dass die Themen und Gedanken einer Frau mehr kommuniziert werden sollten ... deshalb trifft es mich doppelt wenn FreundINNEN mit dem Thema Fehlgeburt so überfordert sind...
Ich versuch sie zu verstehen... aber möchte derzeit meinem kleinen Sternenkind meine Kraft und Gedanken widmen...
Ich vertraue drauf dass die Zeit meinen Mut stärkt Freunde anzurufen um über mein Thema, meinen Schmerz ehrlich zu sprechen ohne mich dafür entschuldigen zu müssen.
Derzeit warte ich eher mit stillschweigendem Handy auf die Antwort da draußen. Sie wollen mir Zeit geben... schreiben SMS mit Herzen und Umarmungen ...
das tut auch gut..hilft aber für 1 Sekunde... ich weiß da muss man selber durch... ihr seid so Stark ... eure Geschichten machen mich traurig und am liebsten hätt ich euch bei mir auf der Couch ... 😁 wer hätte das gedacht dass ich sowas zu Fremden schreiben werde
... zu denen ich mich gerade sehr verbunden fühle..
Alles Liebe, fühlt euch gedrückt

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#24

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 12:34
von Susanne • 4.593 Beiträge | 4611 Punkte

Und diese Worte rühren mich gerade total und es freut mich, dass Du Dich aufgehoben fühlst 🤗

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#25

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 12:34
von Saranda • 313 Beiträge | 313 Punkte

Das ist schön zu wissen, dass unsere Worte dir ein kleines bisschen helfen.
Es ist erst eine Woche her, dass du von dieser unglaublichen Euphorie herabstürzen musstest auf dieses dunkle, traurige, harte Tief. Zusätzlich spielen die Hormone verrückt.
Die eigene Realität rückt total ab von dem was "da draußen" passiert.
Geh durch die Trauer, leb sie aus. Es wird jeden Tag, jeden Moment wieder ein kleines bisschen heller und sonniger werden!


Sternchen 12 SSW am 15.03.20
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#26

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 13:02
von . Marichen • 91 Beiträge | 91 Punkte

Du hast vollkommen recht, so eine Verbindung zu fremden Menschen, komisch aber verdammt toll 🥰. Wir halten uns gegenseitig stark 🍀

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#27

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 17:06
von Juli • 478 Beiträge | 496 Punkte

Hallo ihr Lieben,
ich möchte nun auch auf die Frage antworten. Bei meiner ersten Fehlgeburt bin ich wie aus den Wolken gestürzt. Überall sonst lief es anscheinend gut. Nachdem ich es aber erlebt habe, haben mir viele von ihren Fehlgeburten erzählt und ich habe da erst gemerkt, wie tabu das Thema bei vielen ist. Oft wird eben nur mit jemandem darüber geredet, der es auch erlebt hat und sonst verschwiegen. Ich habe dann angefangen ganz offen drüber zu reden und habe auch gemerkt, dass es mit jedem Mal erzählen etwas leichter fiel das ganze zu begreifen. Dazu kam noch die Wut auf die Ärzte, wegen denen ich die Ausschabung 2x machen musste, die ich dadurch loswerden konnte. Es war auch schön, dass eine Kollegin mich, als ich dann schwanger mit meinem Sohn war, ansprach deswegen. Sie hatte selber eine FG vor sich, hatte erfahren, dass es abgehen wird und hat sich daran erinnert, dass ich es auch durchstehen musste und wollte mit mir drüber reden. Auch Freundinnen, die es dann ebenfalls ertragen mussten, haben sich an mich gewandt. Es war schön zu helfen. Ich bin froh, dass ich mit der FG offen umgegangen bin. Nach der ELS wars schwieriger, weil ich mich dann defekt gefühlt habe und nach der letzten FG wurde es noch schwieriger. Alle, die es wissen, versuchen mich dann aufzumuntern. Deshalb habe ich das nicht jedem erzählt. Jetzt ist es eher so, dass ich Leute, die mich kaum kennen und dann fragen ob es nicht endlich Zeit für ein Geschwisterchen wäre oder meine es wäre doch langsam Zeit, ich werde ja nicht jünger (bin 33), oder noch besser alle meine Kusinen und meine Schwestern haben ja auch zwri Kkbder.... gerne damit sprachlos mache... was geht es die denn an, das mein Sohn fast drei und bisher Einzelkind ist? Ich habe es mir nicht ausgesucht... deshalb weiß es von der letzten FG nur ein kleiner Kreis plus eben alle Blödfrager. Gerne hätte ich es meiner ganzen Familie erzählt, aber meine Omis haben schon bei der ersten so getan als ob ich Schuld wäre... das verstehe ich echt nicht. Am liebsten würde ich es in die ganze Welt hinausschreien "Da kann doch niemand was dafür!!! In welchem unaufklärtem Jahrhundert lebt ihr denn?" Die verstehen das einfach nicht... bei ihnen wurde über sowas nicht geredet, deshalb kennen sie sich null aus. Ist schon traurig, dass in so einer Gesellschaft, in der Wissen doch zur Zeit überall vorhanden und abrufbar ist, immer noch uralte Denkweisen die Oberhand haben...

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#28

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 17:12
von Tali • 61 Beiträge | 62 Punkte

Liebe Waleria,

es tut mir Leid deine Zeilen lesen zu müssen, auch ich kenne das Gefühl nur zu gut. Ich kam mir teilweise selbst schlecht vor, weil ich meine Freundinnen in die Situation gebracht habe, bei der sie einfach keine Worte gefunden haben.
Aber ich muss darüber sprechen, das war mein Baby, das ich verloren habe und ich will, dass jeder es kennt und davon weiß. Wieso sollte ich das Kleine verheimlichen? Ich mache niemandem einen Vorwurf, wenn man nicht weiß, wie man darauf reagieren soll - wer weiß, ob ich die richtigen Worte gefunden hätte. Aber ich setze meine Freunde dem einfach aus. Und wenn sich jemand deswegen von mir entfernt, weiß ich, was ich generell von ihm/ihr zu halten hatte.

Ich finde es unmöglich, dass das Thema so tabuisiert wird. Und ich will mich dem nicht anschließen.
Ich wünsche dir viel Kraft, zumindest hier hast du einen Ort, an dem du es laut herausschreien kannst

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#29

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2020 18:50
von Bine • 891 Beiträge | 899 Punkte

Ich finde es auch ganz schlimm, dass man darüber scheinbar nicht redet. Es dürfen eben noch schöne Sachen über das Kinder kriegen geredet werden. Schlimm
Ich merke auch, dass viele erst offen damit umgehen, wenn sie mitbekommen, dass man eine FG hatte.

Sogar eine Frau die schon 2 FG hatte, meinte zu mir, sie hat Angst etwas falsches zu sagen und man traut sich nicht etwas zu sagen.
Ich sagte ihr nur, dass man nichts falsches sagen kann. Falsch wäre, gar nichts zu sagen. Über alles andere kann man reden.

Ich habe viel geredet und mache es auch noch. Allerdings nur bei Menschen, die es auch ein Stück weit verstehen. Ich fange einfach an, wenn mir etwas einfällt über das ich gerade sprechen möchte.

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#30

RE: Tabuthema Fehlgeburt

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 09.06.2020 11:25
von Tali • 61 Beiträge | 62 Punkte

Hallo ihr Lieben,

mir hat das Thema keine Ruhe mehr gelassen und ich habe einen Text verfasst, den ich gerne verschicken möchte. Er ist sehr lange aber ich wollte ihn euch einmal zeigen. Vielleicht könnt ihr mir eure Meinung dazu sagen. Im ersten Teil schildere ich explizit alles, von der Diagnose bis nach der Ausschabung. Das Erspare ich euch.

"Warum dieser Text? Warum diese explizite Schilderung?
Weil ich offenbar eine der wenigen Frauen bin, die darüber reden wollen. Denn wenn ich eine Erfahrung machen musste, über die ich mir vorher auch keine Gedanken gemacht habe, dann die, dass dieses Thema ein absolutes Tabu ist. Ich lese von bis zu 80% der Frauen, die diese Erfahrung machen müssen, und doch redet niemand darüber. Man weiß, dass die ersten 12 Wochen entscheidend sind, man ist der Meinung man sei vorbereitet, wenn etwas passiert. Schließlich „ist da ja noch nicht viel“. Aber ab dem Moment auf der Toilette, war da für mich Alles – ein ganzes Leben tauchte dort auf. Die Verbindung war da und sie ist unabhängig von Größe und Entwicklungsstand. Es mochte wohl keinen Käse, aber dafür Frischkäse – bei mir ist es andersherum. Seit es nicht mehr da ist, gammelt das Zeug vor sich hin. Ich hatte das instinktive Gefühl, dass es ein Mädchen ist. Ich habe mir vorgestellt, wie ich das Kinderzimmer einrichte. Dieses Kind war ein Teil meines Lebens und wird es immer sein. Gesellschaftlich darf es diese Kinder aber wohl nicht geben, will man von ihnen nicht hören – wie von so vielem, was schmerzhaft ist, was unerträglich ist.
Man empfindet fast so etwas wie Scham, wenn man darüber spricht. Offenbar hat der Frauenkörper irgendwie versagt, die Funktionalität war mal wieder nicht gegeben. Aber nach einer Generalüberholung wird das beim nächsten Mal was, ganz bestimmt. Bisschen Spucke und Motorenöl sollten reichen.
Ich habe das große Glück, dass ich einen Partner habe, der voller Verständnis ist, dass meine Trauer anders ist als seine. Ich habe Freunde und Freundinnen, die vielleicht nicht wussten, was sie sagen sollen, aber von denen niemand so etwas wie „Das war ja noch nichts!“ gesagt hat, die mich verstanden haben, die einfach nur da sind. Ich habe Arbeitskollegen, die keine Sekunde mehr an Arbeit, sondern an mich gedacht haben. Und ich habe eine Familie, die mich unterstützt. In dieser Hinsicht habe ich den Jackpot geknackt – aber viele Frauen haben nicht mal eines davon.
Ich habe auch nicht mal die unempathischste Behandlung im Krankenhaus erfahren, auch da gibt es ganz andere Geschichten von Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Und die meisten von ihnen schweigen dazu, die meisten reden nicht darüber. Weil es ein Tabu ist. Weil niemand weiß, was er sagen soll, und eben nichts sagt. Oder man sich anhören muss, dass das nur abgestorbenes Gewebe ist. Kein Wunder, dass die meisten aus Selbstschutz schweigen obwohl alles in ihnen schreit. Es mag für die Ärztin/den Arzt wichtig sein, sich abzugrenzen. Sonst kann man diese Arbeit nicht lange machen. Ich weiß das, ich bin keine Ärztin, aber auch ich arbeite mit Menschen – auch ich erlebe tagtäglich Schicksale, besuche Jugendliche, für die sich keiner mehr interessiert, die Schreckliches erlebt haben. Auch ich muss mich innerlich davon abschotten. Aber ich kann nicht hingehen und dem fünfzehnten Vergewaltigungsopfer sagen, es soll sie nicht so anstellen, da das ja vielen passiert. Auch wenn ich selbst einen Weg gefunden habe, mich davon frei zu machen, für jeden Jugendlichen/ jede Jugendliche ist es ihre individuelle Erfahrung. Ich MUSS empathisch sein, ich MUSS einen Weg finden jedes Mal aufs Neue zuzuhören, jedem Fall die gleiche Bedeutung beizumessen.
Natürlich weiß ich, dass die Ärzte und Ärztinnen unter großem Druck und Stress stehen. Aber genau deswegen müssen wir darüber reden. Denn solche Dinge passieren, jeden Tag – und es wird Frauen geben, die damit nicht umgehen können und trotzdem schweigen!
Dass es anders geht, hat meine Frauenärztin gezeigt. Es benötigt etwas mehr Zeit, indem man sich dem Tempo der Frau anpasst, die vor einem sitzt. Und sie nicht zwingt, sich dem Tempo des Gesundheitssystems zu beugen…
Dieses Kind war meine Realität. Es war da, es war echt, es lebte für einen Bruchteil meines Lebens. Und ich lasse mir nicht von unserer Gesellschaft, in der der Mensch vor allem funktionieren muss, einreden, dass es „Nichts“ war. Vielleicht ist das eines unserer größten Probleme, dass wir auf alles eine Antwort wissen, dass wir uns über unsere Arbeit definieren, über das, was wir erreichen, was wir können. Aber wenn es um Empathie geht, um Emotionalität, sind wir sprachlos, schauen wir weg. Und je öfter wir das tun, desto weniger können wir damit umgehen.
Es hätte es nicht einfacher für mich gemacht, wenn ich vorher gewusst hätte, dass es egal ist in welcher Schwangerschaftswoche ich das Baby verliere. Der Verlust wäre derselbe gewesen. Aber vielleicht wäre anders mit mir umgegangen worden, wäre man nicht so hilflos und sprachlos gewesen, hätte man mir den Weg leichter machen können.
Für mich bleibt der Verlust meines Kindes, bleibt ein traumatisches Erlebnis und die Gewissheit, dass die nächste Schwangerschaft anders sein wird. Da wird keine Vorfreude sein, kein Träumen – da wird Angst sein, vor jeder Untersuchung. Angst vor dem Ultraschallgerät. Angst davor, dass es wieder passiert und ich erneut ein Mal mehr in der Statistik bin.

Ich bin... Mein Baby starb in der 8. SSW.
„I carried you every second of your life and I will love you every second of mine."

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