#1

3 Fehlgeburten, balancierte Translokation

in Eure Geschichte 07.05.2024 17:06
von Emes • 2 Beiträge | 2 Punkte

In den vergangenen Monaten war ich immer wieder eine stille Mitleserin - vielen Dank an alle, die hier so viel und offen über ihre Geschichten sprechen. Das hilft in den dunklen Momenten wirklich sehr. Nun möchte ich selbst meine Geschichte teilen, auch, um vielleicht die ein oder ander Verbündete anzutreffen. Unser aktiver Kinderwunsch besteht nun seit Herbst 2021. Genau zu dem Zeitpunkt stellte meine Gyn ein Myom außerhalb der Gebärmutter fest. Sie sagte, wir sollen es dennoch einfach mal versuchen, ggf. ist das Myom harmlos und bleibt unauffällig. Vier Monate und vier negative Schwangerschaftstests später war das Myom nun doch so sehr gewachsen, so dass ich mich einer Bauchspiegelung unterziehen musste. Es verlief alles gut und wir starteten im August 2022 wieder voller Hoffnung in den Kinderwusch. Im November 2022 hielt ich meinen ersten positiven Test in der Hand - Wir waren ganz aufgeregt. Seltsamer Weise hatte ich von Anfang an ein komisches Gefühl. Aber da ich hin und wieder dazu neige, vom Schlimmsten auszugehen, dachte ich mir nichts näher dabei. Bei der ersten Untersuchung gab es auch tatsächlich einen Dottersack und eine kleine Embryoanlage, der Gyn war zufrieden. Und wir auch. Zwei Wochen später hatte sich der kleine Embryo leider nicht weiter entwickelt - Missed Abortion an 9+0. Wir waren traurig, überfodert und hilflos. Wie in Trance fuhren wir in die Klinik, in der die Diagnose bestätigt wurde. Curretage einen Tag später.
Wir machten langsam, feierten Weihnachten bei unseren Familien und schöpften langsam wieder Zuversicht. Zu viele Frauen kannte ich, die nach einer Fehlgeburt ein gesundes Kind auf die Welt gebracht hatten. Währenddessen hatte ich meine Blutgerinnung testen lassen; Diagnose: Antiphospholipidsyndrom. Alles klar, dann also mit Heparin und ASS, Ursache geklärt. Nach drei Monaten Pause hielt ich im April 2023 wieder einen positiven Test in den Händen. Doch das HCG stieg von Anfang an nicht richtig an, ich ahnte, dass auch die Schwangerschaft nicht lange halten würde. In der 6. Woche kamen die Blutungen, auf dem Ultraschall war nichts zu sehen. Ich war traurig, mein Mann auch. Aber die Zuversicht verließ uns nicht. Erste Fehlgeburt wegen der Blutgerinnung, die zweite weil es eben manchmal passiert. Nach drei weiteren Übungszyklen hielt ich im Septmeber wieder einen positiven Test in den Händen. Hier stieg das HCG etwas besser, jedoch ebenfalls nicht überzeugend. Nach einer Woche bangen stand fest, dass auch diese Schwangerschaft nicht intakt war. Die Blutungen setzten in der 7. Woche ein. Also ab zur Kinderwunschklinik. Immerhin konnten wir nun endlich etwas tun: Hormonstatus und Gebärmutterspiegelung. Eine Entzündung wurde mit Antibiotika behandelt. Die Biopsie klappte bei mir leider nicht, die Ärztin kam an zwei Tagen hintereinander nicht in meine Gebärmutter. Die Spiegelung vorher hatte problemlos geklappt, so dass wir es auf Stress schoben und erst einmal Weihnachten feierten. Zudem gab mir die Ärztin niedrig dosiertes Cortison mit, das ich ab Eisprung nehmen konnte. Vielleicht gab es ja doch Killerzellen. Vier Zyklen versuchten wir es nun. Ab Eisprung gab es immer Cortison, Heparin, ASS und Progesteron. Eine Schwangerschaft stellte sich erst einmal nicht wieder ein. Mit dem Cortison hatte ich mehr und mehr ein ungutes Gefühl, so dass ich mich im April dieses Jahres dazu entschloss, die Biopsie doch nochmal anzugehen. Wieder klappte es nicht. Zwei Tage später versuchten wir es dann unter Vollnarkose - endlich erfolgreich. Zudem hatten wir einen Termin bei der Humangenetik vereinbart, um auch noch das letzte Fragezeichen zu klären. Eine Woche später dann die überraschenden Neuigkeiten: Die Biopsie war unauffällig, dafür habe ich eine balancierte Translokation. Das heißt, zwei Chromosomen haben ihre Enden getauscht. Damit habe ich zwar alle wichtigen Informationen und bin somit gesund. Doch die Wahrscheinlichkeit dass mein Embryo die falschen Teile bekommt liegt bei ca. 50%. Das heißt ich habe ein Fehlgeburtsrisiko von 40-50%. Umgekehrt habe ich eine 50-60%-ige Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen. Unsere Humangenetikerin ist zuversichtlich, dass es für uns möglich ist, wir aber offensichtlich ein paar mehr Anläufe brauchen. Sie sagt, dass ihre Erfahrung zeigt, dass Paare, die es auf natürlichem Weg versuchen, nicht unbedingt länger auf ein gesundes Kind warten, als Paare die sich für eine PID entscheiden. Sie kann beide Entscheidungen verstehen. Und tatsächlich haben mein Mann und ich ein nicht erklärbares Grundvertrauen, dass der "natürliche " Weg, der unsere ist. Zumal die Ärztin sagt, dass die Abgänge bei mir sehr früh eintreten (werden). Ich muss keine Sorge über das erste Trimester hinaus haben. Gleichzeitig haben wir beide große Sorge, dass wir immer und immer wieder enttäuscht werden. Ich bin 37 Jahre und mein Mann 39 Jahre. Mein Unterleib signalisiert mir, dass es nun auch im 5. Übungszyklus nicht geklappt hat und das setzt mich unter Druck. In anderen Momenten und Phasen sind wir beide auch sehr glücklich mit unserem Leben. Es gibt durchaus auch eine Idee von uns beiden ohne Kinder. Auch das hilft uns durch diese anstrengende und unfaire Zeit. Aber ja, es ist und bleibt eine Achterbahnfahrt, die auch intensiv durch meinen Zyklus bestimmt ist. Und irgendwo gibt es das Vertrauen, dass da ein Seelchen auf uns wartet. Manchmal.


zuletzt bearbeitet 07.05.2024 17:23 | nach oben springen

#2

RE: 3 Fehlgeburten, balancierte Translokation

in Eure Geschichte 07.05.2024 19:28
von Susanne • 4.613 Beiträge | 4631 Punkte

Hallo liebe Emes, herzlich Willkommen und mein Mitgefühl für Deinen steinigen Kiwu-Weg sowie die Verluste. Es freut mich, dass Du Dich uns anvertraut hast und ich danke Dir für Deine Geschichte. Wieder einmal sieht man, dass die Suche nach den Ursachen oft der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleicht und man schlussendlich leider nicht für alles eine Lösung hat. Ihr scheint aber genau zu wissen, was Ihr wollt und was nicht und geht Euren Weg, ggf. auch kinderlos. Ich persönlich finde die Entscheidung ohne PID es weiter "auf gut Glück" zu versuchen angesichts des Alters und der Rate mutig, kann sie aber nachvollziehen, da das natürlich auch ein Prozess ist, der mit viel Geld und keiner Garantie auf Erfolg verbunden ist, und wenn ein Kind nicht um jeden Preis sein muss, ist es so natürlicher ein durchaus gangbarer Weg. Die persönlichen Grenzen abzustecken ist ja immer auch ein langer Findungsweg, die eine schöpft alles aus bis zur Eizellspende oder Embryoadoption, die andere scheut schon den Gang in die Kiwu. Jede*r ist da anders gestrickt und geht unterschiedlich weit bis das persönliche Limit an Kraft, Ausdauer und Geld erreicht ist. Ich würde mich freuen, wenn Du uns auf dem laufenden hältst, vielleicht magst Du Dich den Mädels im Hibbelthread anschließen. Liebe Grüße, Susanne


zuletzt bearbeitet 07.05.2024 19:32 | nach oben springen

#3

RE: 3 Fehlgeburten, balancierte Translokation

in Eure Geschichte 07.05.2024 21:00
von Epiphanie • 711 Beiträge | 713 Punkte

Hallo liebe Emes, willkommen im Forum.

Deinen Thread musste ich direkt anklicken, denn ich bin auch Trägerin einer balancierten Translokation - wie meine Mutter auch. Meine Mutter hatte drei Fehlgeburten, hat aber auch drei gesunde Kinder zur Welt gebracht. Unser Kinderwunsch war auch steinig, allerdings weiß ich seit meiner Kindheit, dass ich die Translokation habe, war also insofern zumindest ein klein wenig "vorbereitet". Ich hatte drei FG, dann kam unsere Tochter zu Welt. Danach zwei BCSS und zwei FG und dann kam auch unser Sohn zur Welt.
Es geht auf natürlichem Wege, aber du kennst ja die Chancen und Risiken. Wir haben uns auch gegen PID entschieden, obwohl uns in der KiWu gesagt wurde, dass wir die bestimmt in Deutschland gestattet bekommen würden (oder einfach nach Belgien fahren könnten, wohnen in Westdeutschland). Sie wurde uns aber auch konkret als Möglichkeit erst auf dem Weg zum zweiten Kind benannt. Bei der Begleitung bis zum ersten Kind war sie kein Thema, möglicherweise, weil ich zu dem Zeitpunkt erst 29 Jahre alt war.
Aber auch beim zweiten Kind war der "Leidensdruck" noch nicht so hoch, obwohl natürlich jeder fehlgeschlagene Versuch eine Katastrophe war. Ich bin aber ein Mensch, der schnell wieder Mut und Zuversicht gewinnt, denn ich hatte ja meine Mutter als "Vorbild" (die übrigens mit mir mit 39 Jahren schwanger wurde) und dann auch meine Große als "Beweis".

Ich wünsche dir und deinem Mann jedenfalls alles Gute für den weiteren Weg; Ich weiß nicht, ob es dir geholfen hat, von mir zu hören, aber vielleicht tut es ja gut, direkten Kontakt zu anderen Frauen mit dem gleichen "Problem" zu haben.

Alles Liebe
Epi

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#4

RE: 3 Fehlgeburten, balancierte Translokation

in Eure Geschichte 07.05.2024 22:10
von Emes • 2 Beiträge | 2 Punkte

Liebe Susanne, liebe Epi,

vielen Dank für die lieben Nachrichten. @Susanne: Ja, wir fühlen uns manchmal auch mutig. Und dann irgendwie auch wieder nicht, weil es eben am Ende doch eine Entscheidung von "innen" ist und gerade so stimmig ist. Aber wer weiß, vielleicht entscheiden wir auch in ein paar Monaten wieder anders. Ich habe gerade das Gefühl, dass wir immer nur vom Jetzt aus entscheiden können. Ich bin übrigens ganz angetan, wie du das Forum so liebevoll gestaltest. Das soll ich dir auch von meinem Mann ausrichten :).

@Epi: Das tut wirklich gut zu lesen - danke dir. Das war bei euch ja auch ein ganz schön steiniger Weg. Wie schön, dass Ihr nun zwei gesunde Kinder habt. Ich finde in den verschiedenen Forum bisher wenig Frauen, die eine Translokation haben. Irgendwie ist der Tenor eher "Ja, genetische Untersuchung machen wir mal, aber in der Regel kommt da ja nichts bei raus". So dachten wir auch und waren daher doch sehr überrascht. Auch, weil meine Mutter keine Fehlgeburten hatte. Dafür haben meine Eltern aber auch je vier Jahre auf meinen Bruder und auf mich gewartet. Vielleicht gab es da auch Abgänge, die sie gar nicht bemerkt hat. Wer weiß. Ich bin auch ein Stück erleichtert, endlich eine Ursache gefunden zu haben. Nun können wir uns recht sicher sein, dass mindestens zwei von den dreien tatsächlich einfach nicht lebensfähig waren (Die erste FG kann tatsächlich ja auf mein Antiphospholipidsyndrom zurückzuführen sein). Ich hatte bisher immer den Gedanken, dass mein Körper es nicht schafft, ein eigentlich lebensfähiges Embryo zusammenzubauen. Auf eine sehr seltsame und überraschende Art bekomme ich gerade mein Vertrauen in den Körper zurück.


zuletzt bearbeitet 07.05.2024 22:11 | nach oben springen

#5

RE: 3 Fehlgeburten, balancierte Translokation

in Eure Geschichte 08.05.2024 06:39
von Susanne • 4.613 Beiträge | 4631 Punkte

Danke Dir für dein Lob :-) Man sollte bedenken, dass die Zeit gegen einen spielt und die Hürden nicht kleiner werden. Daher sollte man alle Optionen, die sich in der Lage bieten, für sich prüfen und einen Plan schmieden, denn alle Behandlungsmöglichkeiten für sich brauchen dann ja auch nochmal Zeit.

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