#1

MA in der 11. SSW, langes Warten auf natürlichen Abgang

in Eure Geschichte 19.04.2024 12:44
von Schneckenmama • 1 Beitrag | 1 Punkte

Hallo zusammen,
ich bin vor Kurzem durch eine Bekannte auf dieses Forum aufmerksam geworden. Bisher fiel es mir total schwer, mich irgendwie zu öffnen aber nun möchte ich hier mein Glück versuchen.
Ich habe bereits eine Tochter (Mai 2022) und Anfang diesen Jahres (11.01.) erneut positiv getestet. Mein Partner und ich waren außer uns vor Freude darüber, dass wir bald zu viert sein würden.
Beim ersten Ultraschall in der 6. SSW sah alles super aus und auch einige Wochen später in der 10. SSW konnten wir unser zeitgerecht entwickeltes Baby mit schlagendem Herzchen im Ultraschall sehen. Gegen Ende dieser Woche hatte ich plötzlich ein sehr beklemmendes Gefühl. Zuerst dachte ich, dass dies aufgrund meines Jobs sei - ich hatte zu der Zeit extreme Stresssituationen und mein Chef hat sich mir gegenüber gelinde gesagt schwierig verhalten. Als es übers Wochenende nicht besser wurde, bin ich in der nächsten Woche zu meiner Gynäkologin gegangen, um abklären zu lassen, dass es wenigstens dem Baby gut geht. Die Gynäkologin konnte beim Ultraschall bei 10+4 damals keinen Herzschlag mehr feststellen. Ich glaube, sie war auf eine Art genauso geschockt wie ich. Sie sagte, das Baby sie zeitgerecht entwickelt, ob ich etwas gespürt hätte? Als ich mich dann anziehen konnte, brach ich hinter dem Vorhang in Tränen aus. Mein Partner war zur Untersuchung nicht mitgekommen und hatte nachmittags auf unsere Tochter aufgepast. Meine Ärztin war sehr empathisch, erklärte mir, dass es ihr sehr leid tut und dass ich verschieden Möglichkeiten habe. Sie merkte allerdings schnell, dass ich in diesem Moment nicht aufnahmefähig war und schickte mich dann mit einer Überweisung zur Beratung in unsere Klinik. Als letztes sagte sie zum Abschied, dass ich Zeit habe, dass ich keine Entscheidung heute und auch nicht morgen treffen muss und wünschte mir alles Gute. Für meinen Partner war es ebenso ein Schock wie für mich. Noch am selben Abend kam eine Freundin vorbei, um mit unserer Tochter zu spielen, sodass wir einige Momente zusammen nutzen konnten, um zu weinen und zu trauern.
Am nächsten Tag hatten wir direkt einen Termin in der Klinik bekommen. Unsere Tochter war glücklicherweise in der Kita und mein Partner hatte sich krankgemeldet, um bei mir sein zu können. Wir saßen einer jungen Ärztin gegenüber, die nicht sehr sicher in ihrer Rolle wirkte. Sie bat mich nochmals zum Ultraschall, um eine Zweitmeinung einzuholen. Auch sie konnte keinen Herzschlag mehr feststellen. Dies sagte sie jedoch nicht laut zu uns, sondern beendete den Ultraschall quasi wortlos und ohne Rückmeldung an uns. Für meinen Partner war die Situation besonders schlimm, da er bei der eigentlichen Diagnose nicht dabei war und es ihm gut getan hätte, es nochmals von medizinischem Fachpersonal zu hören, dass wirklich kein Herzschlag mehr da sei, obwohl er es natürlich auch selbst sehen konnte. Daraufhin klärte die Ärztin mich über die mir offen stehenden Wege auf. Normalerweise werden Frauen drei mögliche Alternativen angeboten, (1) die Ausschabung, (2) der medikamentöse Abort und (3) das Abwarten auf den natürlichen Abort. Sie stellte allerdings gleich klar, dass ein medikamentöser Abort in meinem Fall nicht in Frage komme, da ich meine Tochter letztendlich per Sectio entbunden hatte und dies infolge kontraindiziert sei. Ein abwartendes Verhalten stellte sie in der fortgeschrittenen Woche, in der ich mich befand in Zweifel, da es sehr lange dauern und sehr stark bluten würde. Außerdem sei die Gefahr für eine Infektion gegeben und am Ende müsste wahrscheinlich ohnehin ausgeschabt werden, da sich nicht das ganze Gewebe von selbst lösen würde. Sie riet mir also sehr stark zur Ausschabung und meinte auch, wir könnten sofort anfangen und ich wäre dann abends wieder bei meiner Tochter. Mir ging das damals einfach alles viel zu schnell. Ich hatte das Gefühl, dass man mir mein Kind sofort wegnehmen möchte und dafür war ich nicht bereit. Ich hatte mich bereits im Voraus mit meinem Partner gewappnet und uns war klar, dass wir uns einfach anhören würden, was die Ärztin sagt und es gemeinsam zu Hause besprechen wollen, bevor irgendeine Entscheidung getroffen wird. Somit sind wir nach dem Gespräch nach Hause gegangen.
Ich hatte das Glück in einer so frühen Woche schon eine tolle Hebamme gefunden zu haben. Am nächsten Tag rief ich sie an. Sie kam noch am selben Tag vorbei und hörte einfach zu. Das tat mir wirklich sehr gut, da ich das erste Mal seit der Diagnose nicht das Gefühl hatte, Entscheidungen treffen zu müssen, sondern einfach nur traurig und verzweifelt sein konnte. Ich erfuhr, dass die Einschätzung der Klinik, Cytotec nicht nach Sectio zu verabreichen nur als Leitlinie in dieser einen Klinik besteht und andere Kliniken in unserer Stadt da sehr viel offener agieren. Sie riet mir dazu, mir erst einmal Zeit zu nehmen, um den Verlust zu begreifen und zu verinnerlichen und mich dann eventuell nochmals in einer anderen Klinik beraten zu lassen. Ich hatte also Zeit - das half mir extrem. Ich war so überfordert mit der Situation, ich habe eine Woche lang kaum funktioniert. Mein Partner hat die meiste Sorgearbeit um unsere Tochter übernommen. Er hatte sich zwischenzeitlich auch für eine Woche krankschreiben lassen, um alles zu verarbeiten. Es tat mir sehr leid - um eine Krankschreibung musste er deutlich mehr kämpfen als ich, dabei hatten wir doch beide ein Kind verloren...
Nach einigen Tagen vereinbarte ich also noch einen Termin in einer anderen Klinik, die mir von meiner Hebamme empfohlen wurde und ging mit 4 Tabletten Cytotec nach Hause. Die sollte ich nehmen, wenn ich bereit wäre und 48 Std. später zur Kontrolle zurück in die Klinik kommen. Eventuell müsste ich dann einen zweiten Anlauf mit Cytotec nehmen, falls nicht alles Gewebe abgegangen wäre. Das hat mich sehr beruhigt. in der Zwischenzeit wurde mir zwar immer mehr klar, dass ich eigentlich auf einen natürlichen Abgang warten möchte, aber es tat gut, etwas in der Hinterhand zu haben, falls ich auf dem Weg zum Ziel doch durchdrehen würde.
Der Gedanke ein totes Baby im Bauch zu haben war für mich überhaupt nicht schlimm. Es hat sich einfach richtig angefühlt, unsere Erbse vorerst dort zu belassen. Meine Hebamme, die mich zwischenzeitlich immer wieder besuchte, hatte den schönen Satz zu mir gesagt "Dein Baby ist im Moment noch genau da, wo es hingehört" und das habe ich so auch gefühlt.
Die Diagnose ist nun knapp 8 Wochen her. Ich bin seitdem krankgeschrieben. Auch deshalb weil ich eine starke traumatische Erfahrung bereits hinter mir habe und meine Ärztin eine akute Belastungsreaktion attestierte, sodass das medizinische Personal (so scheint es mir) hier lieber nicht riskieren möchte, dass ich auf längere Sicht ausfalle, wenn ich den Verlust nicht gut verarbeiten kann. Zudem versuche ich die Fehlgeburt mit Hilfe einer Therapeutin, die ich auch schon von einer früheren Therapie kenne, aufzuarbeiten. Ich weiß, dass es ein totales Privileg ist, so schnell jemandem zu finden, der Kapazitäten hat.
Ich wäre jetzt in der 19. SSW und warte immer noch auf eine Blutung. Bisher hat sich nichts bewegt. Ich habe seit ca. zwei Wochen leichte Krämpfe im Unterleib, vergleichbar mit leichten Periodenschmerzen. Um nachzuhelfen, trinke ich Eisenkrauttee, mache jeden Abend ein Senfmehlfußbad und massiere meine Gebärmutter mit Ut-Öl. Allerdings bisher kein Tropfen Blut. Innerlich bin ich gespalten - ich möchte eigentlich gerne weiter auf den natürlichen Abgang warten, allerdings halte ich es nicht mehr aus, wochenlang zu warten. Ich hatte einfach gehofft, dass in dieser Phase zwischen 6-8 Wochen etwas passieren würde. Gibt es hier Frauen, die auch auf einen natürlichen Abgang in einer so "späten" Woche gewartet haben? Wie lange kann es denn maximal dauern, evtl. auch weitere Monate?
Zu allem Überfluss habe ich seit zwei Tagen ganz seltsame Symptome: ich friere ständig, habe extreme Heißhungerattacken auf Ungesundes Essen, bin sehr emotional und leicht reizbar und sehr sehr müde. Für mich eigentlich typisch PMS - kann das denn sein, dass sich meine Periode, mit der ein Abgang erfolgen würde, auf so eine Weise "ankündigt"?
Anfang Mai wird unsere Tochter zwei Jahre alt und ich möchte ihr ersparen, dass ihre Mama an diesem Tag nicht richtig dabei sein kann. Deshalb bin ich gerade unentschlossen, ob ich nicht doch abwarten will bis zum nächsten Wochenende 26./27./28. April, mir also eine Deadline setze und wenn nötig, dort Cytotec einnehmen möchte.
Emotional muss ich sagen, dass es mir immer noch gar nicht gut geht. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob ich wirklich schon bereit bin, mein Baby gehen zu lassen, andererseits weiß ich auch nicht, ob ich das jemals sein werde.
Unsere Tochter weiß von der Schwangerschaft und von "Erbse", wie wir unser Baby genannt haben. Sie geht sehr liebevoll und rührend mit dem Verlust um. Wir haben ihr erklärt, dass es manchmal einfach nicht passt und das Baby dann aus Mamas Bauch wieder ausziehen muss. Sie hat das Narrativ für sich weitergesponnen und erzählt uns mittlerweile, dass Erbse jetzt auf einem anderen Spielplatz mit anderen Kindern spielt. Die aufbauendsten, liebevollsten und tröstendsten Worte, die ich seit der Diagnose gehört habe, sind die meiner Tochter. <3
Wir konnten mittlerweile auch klären, dass wir Erbse gerne bestatten lassen wollen. Nach zahlreichen Telefonaten mit Waldfriedhöfen, Bestattungsdienst und Krematorium, sind nun alle Stellen bereit, unsere kleine Erbse in einem Rahmen, der sich für uns stimmig anfühlt bestatten zu lassen. Dieses Wissen gibt mir Trost und Sicherheit für die Zeit nach der eigentlichen Fehlgeburt.
Ich habe mir außerdem zwischenzeitlich ein kleines Tattoo als Erinnerung an Erbse stechen lassen, obwohl ich davor nie darüber nachgedacht habe mich tätowieren zu lassen. Ich sehe es als Anker - falls Erbses Seele in einer nächsten Schwangerschaft zu mir zurückkommen möchte, dann findet sie so den Weg.
Mit meiner Gynäkologin habe ich vereinbart, dass ich nächsten Montag zum Ultraschall kommen kann. Sie könne anhand des Ultraschall-Bildes sehen, ob mein Körper bereits intensiv an einem Abgang arbeitet oder ob sich bisher nichts verändert hat. Meine Überlegung war, dass es mir leichter fallen würde, Cytotec einzunehmen, wenn ich sehen würde, dass mein Körper es nicht in naher Zukunft "von selbst schafft". Andernfalls möchte ich dem natürlichen Vorgang die Chance geben...
Danke bereits jetzt fürs Lesen und für eure Reaktionen.
Annika

nach oben springen

#2

RE: MA in der 11. SSW, langes Warten auf natürlichen Abgang

in Eure Geschichte 19.04.2024 13:31
von Susanne • 4.598 Beiträge | 4616 Punkte

Hallo liebe Annika, herzlich Willkommen und mein Mitgefühl für Deinen Verlust. Ich freue mich für Dich, dass Du eine empathische, informierte Gyn, eine liebe Hebamme, eine süße Tochter, einen liebevollen Partner, eine fürsorgende Freundin und eine Therapeutin an Deiner Seite hast. Das sind die besten Voraussetzungen für einen gelingenden Trauerprozess. Auch finde ich es sehr schön, das Du deinen eigenen, für dich stimmigen Weg gewählt hast und reflektierst mit Dir und Deinen Gefühlen umgehst. Ihr scheint alles in Eurem Sinne geregelt zu haben, seid gut informiert und habt mit Cytotec einen Plan B in der Tasche. Ich möchte Dich einzig darauf hinweisen, dass Du, wenn es los gehen sollte, die Blutungsmenge im Auge behältst, die mit zunehmender Wartezeit stärker ausfallen kann, weil sich die Plazenta immer schlechter lösen kann mit der Dauer des Wartens, so dass auch Reste wahrscheinlicher werden. Mehr als 2 volle große Binden pro Stunde über 2 Stunden sollten nicht zusammen kommen. Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Studien dazu, aber ich bin der Meinung, dass man das Kind los lassen will, damit es auch geht. Und ich lese heraus, dass auch Du die Idee hast, dass die für Euch bestimmte Seele noch irgendwo wartet, bis sie wiederkommen kann so bald eine erneute Hülle bereit steht. Und bis es so weit ist, muss man sich leider eine Weile voneinander trennen. Ich hoffe, dass die körperliche Trennung bald kommt, damit es irgendwann einen Neuanfang geben kann. Ein Abschiedsbrief und dessen Verbrennen ist ein schönes Ritual, um sich innerlich zu lösen. Fühl Dich gedrückt, danke, dass Du dich geöffnet hast und Deine Geschichte teilst. Susanne


zuletzt bearbeitet 23.04.2024 06:52 | nach oben springen


Besucher
2 Mitglieder und 5 Gäste sind Online:
Jessi2193, Dany

Forum Statistiken
Das Forum hat 1768 Themen und 46285 Beiträge.


Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen