#1

Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 06.06.2023 21:14
von Kim
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In der 12. SSW haben wir erfahren, dass sich der Embryo seit der 9. SSW nicht mehr weiterentwickelt hat. Ich habe mich für einen natürlichen Abgang mit medikamentöser Unterstützung entschieden.
Das Ganze hat zu Hause stattgefunden und ich habe mich nicht gut vorbereitet gefühlt. Im Gegenteil, ich stand eigentlich die ganze Zeit völlig neben mir, habe nur versucht, mich auf meinen Körper, meine Emotionen und meine Bedürfnisse zu konzentrieren. Ich hatte starke Schmerzen, teilweise auch Wehen trotz hochdosierter Schmerzmittel. Mein Kreislauf ist mehrmals fast zusammengebrochen. Mein Freund war bei mir, hat sich um alles gekümmert, ich war nicht in der Lage und Verfassung dazu. Wir haben viele Fragen gestellt zusätzlich zur Aufklärung, aber es waren offensichtlich nicht genügend. Woher hätten wir auch wissen sollen, worauf es ankommt, wir hatten ja keinerlei Erfahrung. Wahrscheinlich auch, weil niemand so offen darüber spricht, das macht mich wütend. Gleichzeitig möchte ich es niemandem vorwerfen, jeder muss, darf und soll seinen eigenen Weg finden und gehen, ohne verurteilt zu werden. Irgendwann habe ich mich schwankend zur Toilette gekämpft, um Pipi zu machen. Plötzlich habe ich gespürt, wie mich etwas leicht aufgedehnt hat und mit einem Schwapp platschte es auch schon ins Klo. Ich schrie erschrocken auf, mein Freund kam sofort alarmiert und fragte, was passiert ist, was er für mich tun konnte. Ich erzählte ihm panisch, dass ich noch etwas gesehen habe. Etwas großes, größer als die Schleimhautstücke, die bisher rausgekommen sind, und auch deutlich kompakter. Ob es die Fruchtblase mit dem Embryo und Schleimhaut drum herum war, konnte ich nicht sagen. Wir versuchten, das Etwas wieder aus der Toilette zu bekommen, um nachzusehen. Aber da war nur Flüssigkeit. Es war schon weg. Wir warteten die nächsten Stunden und den nächsten Tag noch ab, untersuchten jedes feste bisschen, bevor ich es entsorgte. Aber es war nicht mehr dabei. Damit stellte sich die schreckliche Erkenntnis ein: Wir haben unser Kind im Klo heruntergespült. Das klingt so unfassbar hart, wie es sich anfühlt. Es war keine Absicht. Wir wollten es beerdigen, Abschied nehmen. Die Box war bereits vorbereitet. Aber das ist nicht mehr möglich. Es ist einfach weg. Ich habe es all die Wochen geliebt und beschützt. Aber als es rauskam, habe ich versagt. Ich habe es im Stich gelassen. Mein Verstand sagt mir, dass das so nicht stimmt, dass ich es nicht wissen konnte, dass es nicht meine Schuld ist. Aber dann meldet sich ganz hinten eine leise, eindringliche Stimme, dass ich es mir hätte denken können, dass ich vorsichtiger hätte sein müssen, dass mir das nicht hätte passieren dürfen. So oder so, das Ergebnis bleibt dasselbe: Ich kann mein Kind nicht beerdigen und das tut verdammt weh.

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#2

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 06.06.2023 21:29
von Vanessa • 995 Beiträge | 995 Punkte

Es tut mir so unfassbar leid das die und deinem Mann das passiert ist...mach dir keine Vorwürfe du konntest es nicht wissen was passiert!
Ich habe mein Baby auch nicht beerdigen können, ich hatte eine ausschabung als Notfall und es wurde einfach entsorgt..ich war damals zu perplex und es ging so schnell das ich vergessen habe zu sagen das ich es mit heim nehmen möchte...
Die Schuldgefühle haben mich die erste Zeit fast aufgefressen...hatte Gewebereste/blutpfropf stattdessen beerdigt und zwei Steine bemalt ..ein Stein liegt bei der Hochzeitskerze von uns und der andere als Grabstein.
So konnte ich mich verabschieden.
Evtl hilft es dir einen Brief an dein Baby zu schreiben, als Entschuldigung oder einfach für dich als Trauerbegleitung.
Fühl dich auf jeden Fall gedrückt!

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#3

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 06.06.2023 22:09
von Jani • 18 Beiträge | 18 Punkte

Hallo,

es tut mir leid, dass du das erleben musstest.
Bei mir war es damals auch so, dass mein Ungeborenes sich seit der 10.Woche nicht mehr weiterentwickelt hatte, in der 12.Woche erfuhr ich davon.
Ich hatte dann die kleine Geburt auch Zuhause, nicht mal 2 Tage nach der Diagnose und war völlig unvorbereitet.
Ich legte Feuchttücher in die Toilette, damit es, wenn es kommt, dort rauf fällt, doch vor seinem Anblick hatte ich zu große Angst...
Ich spürte auch, dass etwas Schweres kam, sah zwischen dem Blut etwas Hautfarbenes durchschimmern.
Ich traute mich nicht, es anzusehen, in die Hand zu nehmen.
Das ist etwas, das ich auch sehr bereue, bis heute.
Jedenfalls konnte ich es dann später, als ich bereit dazu war, zwischen all dem Blut und Gewebe, Feuchttüchern nicht mehr finden, als ich es versuchte, ich konnte mein Kind leider also auch nicht sehen und so habe ich das beerdigt, wo es dazwischen gewesen sein musste, einfach alles, das ganze Gewebe, zwischen den Feuchttüchern.

Ich versuche mir das selbst zu sagen, was ich auch dir sagen möchte:
Woher soll man, wenn es einen selbst das erste Mal, völlig unerwartet trifft, wissen, wie man so etwas optimal gestaltet, worauf es ankommt? Wenn man sich noch nie zuvor mit dem Thema auseinandersetzen musste?
Dazu findet man tatsächlich kaum Informationen, die habe ich damals auch gesucht.
Es ist eine Ausnahmesituation, auf die einen niemand vorbereitet, eine traumatische Situation!
Dein Sternchen bleibt im Herzen bei dir, auch wenn du dir seinen Abschied anders gewünscht hättest. 🖤

zuletzt bearbeitet 06.06.2023 22:12 | nach oben springen

#4

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 06.06.2023 23:21
von Dany • 581 Beiträge | 581 Punkte

Liebe Kim,
Du hast nicht versagt, es ist nicht deine Schuld!
Ich kann deine Gedanken nachvollziehen. Aber gräme dich nicht. Die Seele deines Kindes weiß, dass du es immer beschützt hast und immer lieben wirst.

Meine erste FG (bei allen FG Herzchen in der 7. Woche aufgehört zu schlagen, Abgang in der 11. Woche) kam so plötzlich, am Morgen die niederschmetternde Info bei der FÄ, abends ging es los, ich war nicht wirklich darauf vorbereitet, habe nicht wirklich was im Internet recherchiert. Ich war überfordert und weiß auch nicht, ob ich bereit gewesen wäre, den Embryo zu sehen. Eine Beerdigung habe ich mir nicht vorstellen können (wo, auf dem Balkon?). Bei der zweiten FG hatte ich zwar 3 Tage Vorbereitung, aber so krasse Kreislaufprobleme, dass ich nur mit mir beschäftigt war. Ja und bei Nummer drei hätte ich es unfair gegenüber den Geschwistersternchen gefunden, das zu beerdigen. Ich habe mir auch eine Zeit lang nach jeder FG Vorwürfe gemacht, die Sternchen nicht beerdigt zu haben. Aber es ist mittlerweile okay für mich. Es waren nur Hüllen, die Seelen haben die Hüllen längst verlassen. Ich muss dazu sagen, dass ich Friedhöfe zwar mag, aber nicht an das Grab von Angehörigen gehe. Ich brauche kein Grab, um mich zu erinnern, an jemanden zu denken. Und genauso ist es für mich auch mit den Sternchen, ich bereue nicht, sie nicht beerdigt zu haben. Ich denke täglich an die drei, zünde bei den errechneten Entbindungsterminen eine Kerze an. Dafür brauche ich kein Grab. Mittlerweile haben wir einen Garten, aber ich würde da keinen Embryo beerdigen wollen. Ich möchte bestimmen, sofern das irgendwann möglich ist, wann ich an meine Sternchen denke (genauso wie ich entscheiden möchte, wann ich das Grab von Angehörigen auf dem Friedhof besuche). Ich möchte nicht Rasen mähen und denken, ah da ist mein Sternchen beerdigt. Oder mit Freunden grillen und denken, ah das ist das Grab meines Sternchens.

Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe, du findest einen Weg, wie du damit umgehen kannst.

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#5

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 06.06.2023 23:44
von Kim93 • 2 Beiträge | 2 Punkte

Liebe Dany, danke für deine Worte (und auch den anderen!!). Zur Aufklärung: im Krankenhaus wurde mir eine Sammelbestattung für Sternenkinder angeboten. Ich habe eine Box bekommen, durfte sie individuell gestalten. Ich hätte sie im Krankenhaus abgeben können. Dort wird in regelmäßigen Abständen eine Sammelbestattung durchgeführt. Alle bis dahin "gesammelten" Sternenkinder werden verbrannt und in einer gemeinsamen Urne beigesetzt. Es gibt auch eine Trauerfeier für die Eltern. Ob man an der Trauerfeier oder der Beisetzung teilnehmen möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Im Garten hätte ich es auch nicht bestattet.

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#6

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2023 09:24
von Nelke • 2.178 Beiträge | 2188 Punkte

Hallo Kim,
als ich die Fehlgeburt in der 12. Woche hatte (Wachstum bis 8. Woche), war ich trotz Vorbereitung überfordert. Ich hatte bereits zwei Gewebeklumpen aufgefangen und dachte, das war's. Nach zwei Tagen (dazwischen hatte ich keinerlei Schmerzen) fingen die Krämpfe wieder an und ich dachte, der Körper hat noch einen kleinen Rest gefunden, der raus muss.... Naja, irgendwann bekam ich auch noch das Gefühl, Durchfall zu bekommen. Bin auf Toilette und im letzten Moment habe ich ein großes Gewebestück mit einem Schwall Blut aufgefangen. Ich dachte, ich sei vorbereitet und war es doch nicht. Ich schmiss es ins Waschbecken und versuchte mich zu beruhigen.
Es passiert so viel mit dem Körper, darauf können wir uns kaum vorbereiten. Ich habe den Rest in einen Plastikbecher mit Wasser gegeben und erst am nächsten Tag untersucht. Ich komme mir heute noch so schäbig vor, die fruchthöhle aufgemacht zu haben und das kleine herausgenommen zu haben. Danach habe ich es in ein Tuch gewickelt und seitdem liegt es gut eingepackt in einer Schachtel. Ich kann es nicht vergraben, weil ich es abstoßend finde, dass Würmer durchkriechen werden. Ich kann es nicht verbrennen, weil es mit Sicherheit nur mit genügend Holz verbrennen würde und dann wäre die Asche total vermischt mit Holz...was soll ich dann mit der Asche machen? Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, es wäre im Klo verschwunden. Dann würde es im wasserkreislauf weiterziehen und ich müsste mir keine Gedanken um den Abschied der körperlichen Reste machen. Ich bin davon überzeugt, die Seele ist mit unserem regenbogenwunder zurück gekommen.
Irgendwann lösen sich die reste im wasser auf und verteilen sich auf der Erde. So wie alles irgendwann enden wird.
Vielleicht tröstet dich dieser Gedanke.
Es gibt nicht den perfekten Plan. Es gibt nicht die eine Art und Weise.
Es kommt so, wie es kommt und wir haben kaum Einfluss darauf.
Ihr habt eine Kiste zum Abschied nehmen. Darin könnt ihr Briefe hinein legen, ein Kleidungsstück, oder andere Dinge und es dann symbolisch vergraben.
Ihr werdet einen Weg gemeinsam finden, da bin ich mir sicher.
Liebe Grüße, Lena

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#7

RE: Keine Beerdigung möglich

in Ich bin einfach sehr traurig und möchte reden 07.06.2023 17:49
von Johanna85 • 18 Beiträge | 18 Punkte

Liebe Kim,
alles, was ich dir dazu sagen kann ist, dass du mit diesem Gefühl des Vorwurfs nicht allein bist.
Ich habe in der 12. SSW mein Kind verloren, die Entwicklung war in der 10. Stehen geblieben.
Ich habe alle Koagel etc. in einem Sieb aufgefangen und trotzdem keine Fruchthöhle mit Embryo gefunden. Die "Kindsanlage" wie es die Ärztin nannte, habe ich nicht geöffnet, weil ich dachte, da mache ich was kaputt.
Nun haben wir es so beerdigt und ich frage mich auch heute nach 2,5 Jahren noch, ob ich es nicht hätte öffnen sollen.
Nelkes Bild vom Wasserkreislauf finde ich da tatsächlich sehr schön, schöner als die Würmer.
Und ja, woher sollen wir Frauen das wissen, wenn es uns so unvorbereitet trifft und wir nicht wissen, wen wir anrufen können, weil so wenige darüber sprechen. Hebammen sind da auch nicht immer hilfreich.
Liebe Grüße
Johanna

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