#1

Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 13:27
von Jani • 18 Beiträge | 18 Punkte

Hallo, ihr Lieben,

ich möchte euch meine Geschichte erzählen und fragen, ob es jemanden hier gibt, der Ähnliches erlebt hat, ob und wie ihr das Ganze verarbeitet habt und wie es euch heute damit geht, wenn das Ganze schon länger vielleicht zurückliegenden sollte..
Oft fühlte ich mich mit meinem Empfinden sehr allein.

Es ist schon lange her, über 4 Jahre.
Doch noch immer denke ich jeden Tag an mein kleines Sternenkind zurück.

Es fing an, mit einem positiven Schwangerschaftstest in einer Situation, in der es in keinster Weise geplant war, ein weiteres Kind zu bekommen. Ich hatte schon länger Probleme in meiner Beziehung, schob aufgrunddessen schon länger vor mir her, die Beziehung zu beenden, war bereits Mutter eines 2-jährigen Kindes, 23 Jahre alt, litt unter psychischen Krankheiten, hatte noch keine Ausbildung.
Es sprach wirklich viel dagegen.
Einen Tag nach dem positiven Test war ich beim Frauenarzt, es war bereits die 8.Woche, man konnte den Herzschlag sehen und ich durfte ihn hören.

Ich konnte mir nicht vorstellen, mich gegen mein eigenes entstehendes Kind zu entscheiden, aber konnte mich auch nicht mit einem weiteren Kind in meiner Lebenslage sehen.
Ich dachte, leider, so sehr ich heute bereue, dennoch über einen Abbruch nach...
Mein Partner, der Vater des Kindes drohte, nicht mit mir zusammen zu bleiben, würde ich das Kind bekommen. Er wollte dieses Kind ganz und gar nicht.
Fast jeder in meinem Umfeld war der Meinung, ein Abbruch wäre das einzig Richtige in meiner Situation.
Es vergingen 4 weitere Wochen, in denen ich keine Entscheidung traf, in der Zwischenzeit war ich sogar bei einer Beratung, hoffte insgeheim, die Frau dort würde mir gut zureden, dass es auch möglich wäre für mich, mit 2 Kindern, aber das machte sie nicht. Als ich sagte, ich kann mir nicht vorstellen, es mit einem weiteren Kind zu schaffen, sagte sie:"Dann ist die Entscheidung ja getroffen". Als es zum Thema Abtreibung kam, brach ich in Tränen aus, sagte, dass ich mir das einfach nicht vorstellen kann.

Als ich in der 12.Woche war, setzten Blutungen ein.
Wir fuhren ins Krankenhaus, dort wurde festgestellt, dass mein Ungeborenes keinen Herzschlag mehr hat, Diagnose: Missed Abortion.
Einen Tag später beim Frauenarzt, wurde am Ultraschall berechnet, dass es bis zum Anfang der 10.Schwangerschaftswoche entwickelt war.
Es war schon 2 Wochen zuvor unbemerkt in meinem Bauch gestorben...
Im Nachhinein betrachtet wusste ich genau was war, es gestorben sein musste.
Ich war in den Tagen kurz davor in einem psychischen Loch, ich hatte Streit mit meinen Eltern, wollte bei ihnen unterkommen, um Abstand von meinem Partner, mit dem es wieder viele Probleme gab, zu nehmen, doch sie wollten das nicht, deswegen der Streit, ich fühlte mich allein und im Stich gelassen...
Ich hatte Schwierigkeit mit meinem älteren Kind, das gerade in der Autonomiephase steckte.
Ich entschied mich für mehrere Unternehmungen am gleichen Tag, zusammen mit meinen Kind, was viel Stress bedeutete, da er sehr schlecht hörte zu dieser Zeit, trotz Bauchkrämpfen am Vormittag.
Es war der letzte Tag mit Schwangerschaftsymptomen, am nächsten Tag waren sie verschwunden. Genau dieser Tag war der ausgerechnete Zeitpunkt, an dem es aufgehört hatte, zu wachsen.
Doch ich dachte erst, die Schwangerschaftsübelkeit hätte nun einfach nachgelassen...

Ich wollte eine Ausschabung, doch im Krankenhaus, in dem ich einen Termin dafür wollte, wollte mir die Ärztin keinen Termine dafür geben, ich sollte wenigstens noch über das Wochenende warten, ob es von allein abgeht...
Ich hatte Angst, Angst, vor dem Anblick dieses kleinen verstorbenen Fötus, der mein Kind werden sollte, es eigentlich schon längst war...
Ich spürte, dass es bald und auch von allein kommen würde.

Und das passierte nur 1,5 Tage nach der Diagnose auch.
Ich erlebte Zuhause die kleine Geburt.
Ich bemerkte, als dieses kleine Wesen gekommen war. Es kam etwas Schweres, zusammen mit viel Blut, doch inmitten des Bluts war etwas Hautfarbenes durchschimmern zu sehen.
Ich wusste, dass es mein Kind war, aber ich traute mich nicht, es anzusehen, es in die Hand zu nehmen.
Etwas, das ich ebenfalls bis heute sehr bereue und mich ebenso sehr viel beschäftigt...
Es vergingen weitere Stunden, in dem ich noch mehr Blut und Gewebe verlor'.
Nachdem alles vorbei war, fühlte ich mich irgendwann bereit, mir dieses kleine Wesen anzuschauen.
Doch ich fand es nicht mehr zwischen all dem Blut, Abgangsgewebe und Feuchttüchern, auf denen es lag...
Im Nachhinein betrachtet, guckte ich nicht gründlich genug.
Wir nahmen die vielen Feuchttücher, zwischen denen es gewesen sein musste, zusammen mit dem vielen anderen Blut und Gewebe, sie kamen in eine Plastiküte, denn wir hatten vorerst nichts anderes.
Dann besorgten wir noch eine große Kiste, in die kam die Tüte. Dort legte ich, um in meinem tiefen Schmerz, den ich fühlte, meine Liebe zu zeigen, einen wertvollen Herzanhänger bei, einen Anhänger mit dem errechneten Geburtsdatum, ein Kuscheltier und mein Partner ein Spielzeug aus seiner Kindheit.
Diese Kiste begruben wir.

Nachdem die Schwangerschaft endgültig vorbei war, kehrte tiefe Trauer bei mir ein.
Plötzlich realisierte ich: Das kleine Wesen, das ich verloren habe, war mein Kind.
Wäre es nicht gestorben, hätte nun bald 2 Kinder gehabt, ich hätte in einigen Monaten ein Baby bei mir gehabt. Es war mein Baby am Anfang seiner Entwicklung!
Doch, das ist VORBEI.
Das habe ich verloren!
Und das, davon bin ich bis heute überzeugt, durch mein eigenes Verhalten!
Hätte ich es gleich angenommen, dann hätte ich mehr Rücksicht genommen, so sind bis heute meine Gedanken.
Plötzlich sah ich alles anders, als in den Wochen des Konflikts.
Ich sah andere in den sozialen Netzwerken, die sich in einer vermeintlich ähnlichen Situation für das Kind entschieden.
Ich dachte plötzlich, dass es DOCH auch bei mir hätte gehen können...
In meinem Umfeld reagierte man erleichtert, empfand den Verlust als gute Lösung für mich, man konnte meine Trauer nicht verstehen.

Und nun hatte ich einen Kinderwunsch, den zuvor in keinster Weise für diesen Zeitpunkt hatte.
Ich wollte so sehr eine neue Chance.

Mein Partner wollte dies erstmal nicht, war verwundert, wie nach dem Verlust einer ungewollten Schwangerschaft, auf einmal bei mir der Wunsch da sein kann.
1 Jahr später erfüllte sich dieser Wunsch nach kurzer Zeit und ich war wieder schwanger, mit einem Baby, das ich mir diesmal sehnlichst wünschte.
Dieses Baby ist heute bereits seit 2,5 Jahren auf der Welt, wird sehr geliebt
doch noch immer denke ich jeden Tag an mein kleines Sternenkind.

Ich bin überzeugt, hätte ich mich für dieses Kind entschieden, als sein Herz noch schlug, dann hätte ich es nicht verloren.
Dann hätte ich mich anders verhalten.
Da ist noch immer so viel Sehnsucht und Reue.
Noch immer wünschte ich so sehr, in diese Zeit zurückreisen zu können, um mein Verhalten zu ändern dieses Kind nicht zu verlieren.
Ich denke viel darüber nach, wie das Leben mit ihm wäre, wie es aussehen würde, ob es ein Junge oder Mädchen war.
Es wäre genau 3 Jahre jünger als mein erster Sohn, statt 4 wie mein jüngerer Sohn.
Der Schmerz über den Verlust begleitet mich noch immer in meinem Alltag.

Das Thema rund um ungeplante bzw. ungewollte Schwangerschaften ist ein riesiger Trigger für mich und wirft mich oft komplett aus der Bahn, zu sehr wirft es mich zurück in die damalige Situation, zu sehr schmerzt es, keine Entscheidung mehr gehabt zu haben, die Entscheidung für mein Kind verloren zu haben...

Und oft frage ich mich, ist es normal, dass ich noch immer so einen großen Schmerz über den Verlust empfinde, jeden Tag daran denke?
Noch immer habe ich den Wunsch nach Wiedergutmachung, ein merkwürdiges Bedürfnis nach Kompensation, wünsche mir förmlich, noch einmal eine solche Situation zu erleben und mich diesmal für das Kind entscheiden zu können, denke über noch ein weiteres Kind nach, obwohl ich genau weiß, dass meine Grenzen schon mit 2 Kindern absolut ausgereizt sind...
Doch mir ist sehr bewusst, nichts wird mir jemals diese Schwangerschaft, dieses Kind zurückbringen, egal wie viel Kinder ich danach bekomme...

zuletzt bearbeitet 10.05.2023 13:37 | nach oben springen

#2

RE: Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 14:26
von Fanny • 237 Beiträge | 237 Punkte

Liebe Jani!

Was für eine geschichte. Du scheinst wirklich noch sehr zu kämpfen 😥

Meine geschichte ist zwar anders und doch erkenne ich parallelen: mein sohn war 1,5 als ich wieder schwanger wurde, mit zwillingen. Damals war mein partner keine große stütze für mich weil er „psychisch“ krank war und einfach viel mit sich beschäftigt war. Ich wollte aber unbedingt ein 2. kind, nur die nachricht der zwillinge hat mich sehr verunsichert. Ich dachte immer, das geht nicht, alleine schaff ich das nicht, mein partner wäre geplant länger auf reha gewesen etc. Und dann kam auch bei mir der natürliche abgang meiner babys, mit dem ich im Leben nie gerechnet hätte 😔
Und auch ich hab mir danach oft die frage gestellt, ob meine gedanken daran schuld seinen…?!? Ich hab dann meiner frauenärztin alle warum-fragen gestellt und sie konnte alles verneinen. Sie vermutet dass es ein chromosomen-fehler war und bei zwillingen kommt es einfach öfter zu abgängen. Für
mich war es damit erledigt. Ich kann nichts dafür dass es soweit kam! Wir haben die zwillinge (ich konnte auch nicht wirklich was erkennen, hab erst alles in den mülleimer gepackt und dann aber - wie du - in eine kiste) im garten vergraben und einen baum drauf gepflanzt. Oft wenn ich daran vorbei gehe, denke ich an die 2 aber ich konnte es wirklich gut verarbeiten. Das Schicksal hat mir den Weg gelegt und ich musste nicht mehr darüber nachgrübeln. Ich habe doch gottvertrauen und denke auch, dass er sich was dabei gedacht hat.
Wobei abtreibung für mich nie ein thema war.

Es hat bei uns 16 monate gedauert, partner hat viel an sich gearbeitet, bis ich wieder schwanger wurde. Nun liegt mein Baby neben mir und schläft ☺️ und auch in dieser SS hatte ich oft zweifel, weil mein partner natürlich immer noch nicht ganz der alte ist und seine krankheit uns leider lange begleiten wird, aber ich wusste, dass es diesmal gut geht.

Du musst irgendwie die Schuldgefühle loswerden! Das Schicksal hat entschieden, nicht du!
Aber wie gesagt: ich habe mir selber, mit hilfe meine ärztin, super helfen können. Bei dir bräuchte es eventuell noch jemand anderen…

Hast du dein 2. Kind mit dem gleichen Partner bekommen?

Ich wünsche dir alles Gute 🍀

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#3

RE: Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 14:26
von Dany • 583 Beiträge | 583 Punkte

Liebe Jani,
dein Verlust tut mir unendlich leid. Es tut mir auch leid, dass dich dein Umfeld zu einem Zeitpunkt nicht unterstützt und aufgefangen hat, an dem du genau das gebraucht hättest. Und schade, dass die Beratung wohl auch nicht so gut war.

Du hast keine Schuld am Tod deines Sternchens!!!

Du warst in einer Konflikt-Situation, ja, weil deine Lebenssituation nicht stabil war und auch weil du von niemanden Rückhalt bekommen hast. Aber das bewirkt keine Fehlgeburt. Wäre es so, würde es auf der Welt keine Abtreibungen oder Schwangerschaften nach Vergewaltigungen geben.

Es ist vollkommen in Ordnung, auch nach vier Jahren (die ich übrigens nicht lange finde) zu trauern. Möglicherweise hast du dir die Zeit zu trauern vor 4 Jahren nicht oder nicht ausreichend genommen.
Fühl dich gedrückt!

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#4

RE: Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 15:03
von Umut • 2.625 Beiträge | 2627 Punkte

Hallo jani,

ich verstehe dich zu gut. Ich denke auch immer hätte ich es nur mehr beschützt, es würde leben.

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#5

RE: Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 18:16
von Jani • 18 Beiträge | 18 Punkte

Danke für eure Antworten.

Ja, mein Kind nach meiner Fehlgeburt habe ich auch mit dem selben Partner bekommen.

Ich habe versucht mir Hilfe durch eine Therapeutin zu suchen, es war leider eine sehr schlechte Erfahrung...
Sie unterstellte mir, nicht traurig zu wirken und dass ich das Thema nur vorschiebe, um nicht über meine anderen Probleme zu sprechen, aber trotzdem mit einem Therapeuten reden zu können.
Allgemein hat sie mir nur 2 Minuten für dieses Thema gegeben und mich sonst nur zu anderen Themen befragt.
Sie meinte, sie wüsste nicht, was sie darüber mit mir reden soll.
Und sagte auch, in meiner Situation wäre das doch eine ganz gute Lösung gewesen, dass ich eine Fehlgeburt hatte...
Völlig absurd und unverständlich ist, dass sie das als Schwerpunkt im Internet angegeben hat: Schwangerschaftsverluste!
Das fand ich unfassbar, dass sie da so mit mir umgegangen ist.

Dadurch dass diese Erfahrung, mir Hilfe bei der Bewältigung meiner Fehlgeburt zu suchen, zu so einer schlimmen Erfahrung bei einer Therapeutin führte, denke ich seitdem wieder, dass ich allein damit zurecht kommen muss...

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#6

RE: Erst Schwangerschaftskonflikt, dann Verlust, Trauer und Leere

in Eure Geschichte 10.05.2023 18:48
von lou_vah • 1.039 Beiträge | 1039 Punkte

Liebe Jani,

Da musst du ganz schön für die Kämpfen und hast dann noch einen so schweren Verlust erlitten ohne viel Rückhalt.

Die Therapeutin ging ja wirklich gar nicht klar. Ich verstehe immer wieder nicht, dass man so oft Berichte hört, bei denen die Therapeut*in so wertend und unempatisch sind. Falls du heute das Gefühl hast, nochmal wen aufsuchen zu können, würde ich dich sehr bestärken das zu tun.
Vielleicht gibt es bei euch in der Nähe ja eine Selbsthilfe Gruppe? Es gibt auch Trauerbegleitung, vielleicht könnte dir das auch helfen? Jeder Mensch trauert anders, das sehen viele hier im Forum ja schon dadurch, wie der eigene Mann ganz anders damit umgeht, vielleicht wäre Hilfe oder eine verständige Person nach 4 Jahren Trauer auch gut?
Ich habe eine PMS (posttraumatische belastungsstörung) aufgrund von anderen Erfahrungen und habe damals 7 Jahre gebraucht bis ich zu einer Therapeutin gekommen bin und das hat mir sehr geholfen. Ich würde Menschen immer zu einer Therapie raten.

Fühl dich in jedem Fall gedrückt und alles was du fühlst ist okay so, wie du es fühlst und ausdrückst!

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