#1

Die letzten Monate

in Eure Geschichte 13.04.2023 00:11
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Kurz nach meiner Fehlgeburt letztes Jahr habe ich mich hier angemeldet, ich bin erst heute bereit darüber zu schreiben und hoffe, dass es zumindest eine Person erreicht, die gerade Hilfe sucht. So wie mir damals andere Beiträge geholfen haben, als ich selbst noch nicht bereit war.

Im Oktober 2022 erfuhr ich überraschend, dass ich schwanger bin. Die Freude war riesig. Ja, da waren auch Ängste, aber die waren okay, weil "ungeplant". Mein Partner und ich schmiedeten ab jetzt Pläne - super happy. Bis meine jahrelange Frauenärztin sagte da stimmt was nicht. Ab da begann eine Phase von Arztterminen 1-2 x pro Woche, bei denen meine Ärztin beinahe jedes Mal die Nachricht änderte: sieht super aus! - Oh, das ist aber viel zu klein jetzt! - es läuft nie, wie man es plant! - machen sie sich keine Hoffnungen mehr! -
Erneute Blutabnahme, der Raum ist gepflastert mit süßen Neugeborenen, die deine Ärztin schon hervorgebracht hat. Alles Gute zur Geburt! Das sagen die ganzen Karten. Denkt dabei eigentlich jemand an die Fehlgeburten? Das ist eine Qual für mich gewesen, diese Blutabnahmen. Das Warten. Das Starren auf die Babygesichter.

Nach einer erneuten emotionslosen Information "ich solle einfach auf die Blutung warten oder ausschaben", wechselte ich meine Ärztin. Nach dem ganzen Hin und Her war mein Vertrauen weg. Meine jahrelange Frauenärztin setze mich einem Hin und Her aus (ca. 6 Untersuchungen insgesamt, 2x die Woche vaginaler Ultraschall), bei der es jedes Mal ein entgegengesetztes Ergebnis gab: Sieht super aus bis hin zu nicht lebensfähig und wenn überhaupt, dann mindestens behindert.

Es war aber noch ein Flackern (Herzschlag) zu sehen, daher wäre ich niemals in der Lage gewesen eine Ausschabung vornehmen zu lassen, wie sie mir geraten hatte. Ich brauchte eine Zweitmeinung. Die Zweitmeinung musste ich selbst zahlen und die neue Ärztin musste einiges in die Wege leiten, damit sie mich überhaupt weiter behandeln kann.
Ich empfinde es als Unding, dass wir keine freie Arztwahl während der Schwangerschaft haben und während eines Trimesters nicht wechseln können.

Kurz nach der zweiten Diagnose setze die Blutung ein, zwei Tage waren besonders schlimm und voller Schmerzen, bei denen ich mich auf dem Sofa krümmte. Während mein Freund schon tapfer weiter machte (für ihn war die Diagnose schon "länger her"), blutete ich Gewebe und verbrachte nicht einen Toilettengang ohne Schmerzen oder Tränen. Ich glaube da war ich so allein und leer wie noch nie.

Meine 2 wöchige Krankschreibung verlief zum Glück ohne Probleme, meine neue Ärztin war da sehr verständnisvoll. Der Weg zurück zum Alltag und zur Arbeit war sehr hart. Die ganzen Fragen im Kopf, der ganze Schmerz ist so ungeordnet. Mit der größte Schock ist es, dass jede 3. Schwangerschaft nicht gut ausgeht. Jeder von uns kennt Frauen, die das erlebt haben. Bisher haben so wenige dazu gesprochen. Das, neben den Zukunftsfragen und körperlichen Erinnerungen macht mich fertig.

Deshalb habe ich mich in psychologische Behandlung begeben (Online mit Video, ohne Wartezeit, privat bezahlt), da ich selbst nicht in der Lage war, aus der akuten Trauer rauszukommen. Das kann ich jeder Frau empfehlen, die irgendwie spürt, dass das Ganze zu groß ist und zu sehr weh tut!

Im Juni ist der ET, ich weiß selbst noch nicht wann und wo mir die Gefühle nochmal begegnen... Ob geplant oder nicht: es ist ein großer Einschnitt in meinem Leben und in unserer Partnerschaft. Ungeplant ist nicht ungewollt ist nicht ungeliebt.


zuletzt bearbeitet 13.04.2023 00:28 | nach oben springen

#2

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 13.04.2023 07:52
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Hallo liebe Kaddi, danke, dass Du Deine Geschichte mit uns teilst. Ich bin mir sicher, sie wird die ein oder andere Frau auffangen. Es freut mich, dass Du für Dich erkannt hast, dass Du Hilfe benötigst. Das möchte man sich ja häufig nicht eingestehen.
Du sprichst von "Einschnitt in Partnerschaft "- magst Du darüber reden? Liebe Grüße, Susanne

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#3

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 13.04.2023 08:00
von Haribe • 649 Beiträge | 650 Punkte

Liebe Kaddi,

Hier sind unzählige Frauen die mit Sicherheit ähnliche Situationen mit Ärzten erlebt haben.

Ich bin auch eine davon, dass mal vorweg.

Zunächst tut es mir leid was du erleben musstest.
Ich denke Therapie ist ein sehr gutet Ansatz.

Nach der Geburt meines Sohnes, entstand nach drei Jahren erneuerter Kinderwunsch. Da ich Risikoschwangere bin, wusste meine damalige FÄ auf was es ankommen sollte.

Ich testete im 4 ÜZ positiv und war voller Freude.
Ich bekam schon beim zweiten Termin meinem Mutterpass.
Dann ging es los...
Jede Woche hin bis zur 9 ssw.
Immer wieder kam was neues dazu.

1 Termin : Mini Fruchthöhle kein Dottersatz
2 Termin: Dottersatz
3 Termin: Noch kein Herzschlag
4 Termin : 2 Dottersack- Zwillinge
Embryo eins gewachsen, aber kein Herzschlag
Embryo zwei wird es nicht schaffen
5. Termin: erneute HCG- Kontrolle- Werte Normal
6. Termin: meine Frage was bedeutet das alles
ANTWORT: Entweder zwei/ eins oder keins.

Die Nachricht schockierte mich und ich fuhr am gleichen Abend noch zu einem anderen FA ....
Fluch und Segen zu gleich: er war sehr schroff aber sagte die Wahrheit auf eine unsensible Weise...

" Das wird nichts, ein fatterndes Herz" was bald vorbei ist und schiebte mir meinen Mutterpass zu...

Tränen überflutet bin ich aus det Praxis gerannt wie ich Auto gefahren und angekommen bin vergesse ich nie. Ein Klos der mir den Atem genommen hat.

Termin 7: Missed Abort.

Ausscharbung.....!!!

Ich wechselte den FA und ein Zyklus später testete ich positiv...
Meine Tochter kam gesund zur Welt und ich habe den besten FA den man sich wünschen kann.

Fühl dich gedrückt

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#4

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 14.04.2023 20:46
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Danke liebe Susanne,
mit dem Einschnitt in der Partnerschaft meinte ich in meinem Fall nicht mal nur etwas Negatives. Zum Einen sind wir sehr zusammengewachsen, haben über alles gesprochen und tun das auch jetzt noch. Mein Partner und ich sind uns einfach auf einer anderen Ebene begegnet, wir sind daran gemeinsam gewachsen. Er hat mich zum Beispiel auch sehr ermutigt mir die psychologische Unterstützung zu suchen. Wir haben gelernt wie jeder das für sich verarbeitet und wie wir das als Paar tun. Ein Einschnitt ist es trotzdem in unserer vorher meist fröhlichen und unbeschwerten Beziehung und warf viele Grundsatzfragen auf: schaffen wir das nochmal? wollen wir das nochmal? wollen wir überhaupt Kinder? Was wollen wir als Paar von unserem Leben etc....
Liebe Grüße
kaddi

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#5

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 14.04.2023 20:58
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Liebe Haribe,

Tut mir sehr leid, manche Ärzte sind einfach unfassbar unsensibel. Wahrscheinlich haben sie so oft damit zu tun, dass manche über ihren Beruf vergessen, dass jede Frau individuell ist und es um ein Leben geht. Eigentlich ja um eine Entscheidung, die viele Leben für immer verändert - so oder so. Bei der Frauenärztin, zu der ich letztes Jahr wechselte, bin ich auch jetzt noch. Sie hat mich auch sehr aufgefangen und hatte großes Verständnis für meine Lage.

Es freut mich, dass es bei dir wie gewünscht direkt wieder geklappt hat und du zwei gesunde Kinder hast. Ich hoffe den Verlust und die Erlebnisse konntest du dennoch gut verarbeiten.
Ganz liebe Grüße
Kaddi

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#6

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 15.04.2023 16:05
von Nelke • 2.179 Beiträge | 2189 Punkte

Liebe kaddi
dein Verlust und dein bisheriger weg tun mir sehr leid.
Ärzte können so unsensibel sein...leider...
So wie dein Mann reagiert hat, "für ihn sei die Diagnose bereits länger her", ist völlig normal. Ich hoffe, du kannst seine Reaktion annehmen und in die Schublade Selbstschutz stecken. Uns Frauen wäre oft Mitleid und Empathie in dieser Situation viel wichtiger. Die Männer reagieren oft mit Zuversicht und Kraft, dass alles schon gut über die Bühne geht... Beide Reaktionen und Gefühle sind normal und ein Teil des Prozesses.
Dass du dir Hilfe geholt hast, finde ich sehr gut und Hut ab! Ich hatte es damals nicht geschafft...habe mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Im Nachhinein weiß ich, dass es der falsche Weg war. Aber ich konnte einfach nicht.
Ich wünsche dir alles Gute und vielleicht lesen wir uns im hibbelthread irgendwann.
Liebe Grüße 🌸

zuletzt bearbeitet 15.04.2023 16:06 | nach oben springen

#7

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 16.04.2023 03:11
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Danke Nelke,

Es tut gut, hier aufgefangen zu werden. Wenn ich meinen eigenen Prozess der letzten Monate betrachte, dann tut es auf eine gesunde Art und Weise etwas weniger weh. Dabei hat sowohl das offene Gespräch mit meiner Psychologin als auch der Austausch mit meinem Partner sehr geholfen. Obwohl ich das Verhalten meines Partners damals verletzend fand, bin ich heute in der Lage dies auf einer anderen Ebene zu sehen. Und ja, zum Einen ist es wie du sagst, Männer gehen evtl generell anders damit um und möchten in die Zukunft schauen. Und was ich auch verstanden habe ist, dass ich Veränderungen an meinem Körper und meinem Denken wahrgenommen habe, die für mein Umfeld noch gar nicht sichtbar waren (z.B. durch Bauch)- es ist daher auch okay wenn der Partner die Trauer anders verarbeitet oder "schneller" ist, da er nicht mit körperlichen Symptomen, Hormonen und Gefühlen dabei war. Es hilft enorm die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und sich keinesfalls zu verschließen.

LG, kaddi


zuletzt bearbeitet 16.04.2023 03:12 | nach oben springen

#8

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 16.04.2023 06:48
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Hallo Kaddi,

es ist tatsächlich so, dass bei der Frau mit der Schwangerschaft physische Veränderungen stattfinden. Das Gehirn transformiert und wird auf die zukünftige Rolle vorbereitet. Sie ist emotional und körperlich also in der Tat viel weiter und mittendrin als der nur beobachtende Mann. https://www.fehlgeburt.info/fehlgeburt-und-totgeburt/ das finde ich auch eine schöne Tatsache.

Möchtet Ihr die Familienplanung nun bewusst angehen?

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#9

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 22.04.2023 00:05
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Hallo Susanne,
dass Stammzellen zurückbleiben habe ich auch dort schon gelesen. Ich finde es eher gruselig und wenig tröstlich muss ich gestehen. Es kann gut sein, dass ich das aber mit der Zeit anders sehen könnte.
Mein Partner und ich haben erstmal Abstand genommen von der Familienplanung, die Erlebnisse waren für uns ein Anlass nun erst einmal unsere Ziele, die wir als Paar haben anzupacken, z.B. das Haus fertig machen, bestimmte Reisen machen. Alles, was man sonst auch mal "aufschiebt". Dass sich unser Leben so schnell geändert hat und dann wieder "zurück geändert" hat, hat uns gezeigt nichts mehr aufzuschieben.
Transparent besprochen haben wir aber tatsächlich, dass wir - wenn der Kinderwunsch neu entsteht - dann sehr bewusst angehen. Allerdings jetzt noch nicht. Ich arbeite daran auch noch mit meiner Psychologin und bin auch noch nicht bereit.

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#10

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 22.04.2023 07:30
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Das ist dann ja auch eine wertvolle Erkenntnis, die Ihr aus dem Schicksal ziehen konntet. Ich wünsche Euch alles Gute!

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#11

RE: Die letzten Monate

in Eure Geschichte 22.04.2023 21:49
von Kaddi2110 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Danke, dir ebenso alles Gute :)

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