#1

Wie übersteht man das?

in Eure Geschichte 20.02.2022 22:47
von Jatze23 • 1 Beitrag | 1 Punkte

Hallo ihr Lieben,

Ich weiß grad nicht mit wen ich noch reden kann, da fand ich diese Seite und dachte ich versuche es mal.
Auch wenn es nicht so ist, aber ich habe das Gefühl, dass meine Familie und Freunde das Thema einfach nicht mehr hören können, obwohl es nicht mal eine Woche her ist.

Zur Vorgeschichte.
Mein Freund und ich sind bald 4 Jahre zusammen und haben einen Sohn welcher 2 1/2 Jahre alt ist. Er war zwar ein "Unfall" aber wir lieben ihn über alles. So wollten wir noch ein 2tes. Wir fanden den Zeitpunkt perfekt und ich setzten den Ring im November ab und nutzten als Hilfe Ovulationstests. Am 27.12. hatten wir einen positiven Test in der Hand. Wir freuten uns sehr. Sofort rief ich meinen Gyn an, aber durch die Feiertage hatte er erst am 10.01. einen freien Termin.
Wir erzählten es nur unserer Familie und versuchten es solange bei den anderen geheim zu halten. Nicht einfach auf einem Dorf aber es klappte.
Am 10.01. hatte ich dann das erste Ultraschallbild in der Hand und ich war überglücklich. An diesem Tag wurde mir noch Blut abgenommen wegen Toxoplasmose und Routinewerte.
Da ich Krankenschwester bin und als Wundschwester arbeite bin ich viel unterwegs und habe mit Patienten zu tun welche potenziel infiziert sein könnten. Mein Gyn riet mir es meinem Arbeitgeber schnellstmöglich zu sagen. Dies tat ich einen Tag später.
Mein Chef war super lieb und freute sich für mich ubd sprach gleich ein Beschäftigungsverbot aus.
So war ich ab dem Zeitpunkt zu Hause und hatte ganz viel Zeit mit meinem Großen.

Am 27.01. hatte ich den nächsten Gyn Termin.
Ein paar Tage vorher hatte ich plötzlich keine Schwangerschaftsanzeichen mehr, meine Übelkeit war wie weggeblasen und ich hatte ein komisches Ziehen im Unterleib.
Ich sehnte den Termin hin und versuchte mich zu beruhigen, weil ich mal gelernt habe dass das ein Anzeichen einer Fehlgeburt sein könnte.
Am Termin sprach ich mit meinem Gyn darüber und er versuchte mich zu beruhigen. Er äußerte noch das ich (laut den aktuellen Blutwerten) grade eine Toxoplasmose Infektion durchmache. Er sollte nochmal Blut abnehmen und erneut zur Kontrolle schicken. Dann stimmten meine Schilddrüsenwerte nicht. Das TSH war zu hoch.
Dann schauten wir nach was das Baby macht.
Im Ultraschall sah man ein kleines Würmchen und das Herzchen hat auch geschlagen. Ich war überglücklich und mein Gyn sagte, dass ich warscheinlich diese Schwangerschaft intensiver erlebe und die Übelkeit vergeht mal früher mal später. Er rechnete die Woche 8+4 aus.

Mit diesen Infos fuhr ich nun nach Hause.
Am nächsten Tag fuhr ich zu meinem Hausarzt und sprach mit ihm wegen meiner Schilddrüse. (Ich habe bekannte Probleme damit).
Er nahm Blut ab und am nächsten Tag rief ich an und er stellte mich neu ein.

Am Dienstag Mittag, also am 15.02., bekam ich eine leichte Blutung. Da es wirklich 12 Uhr war und ich grad mit meinem Großen auf Toilette war konnte ich keinen Gyn anrufen wegen einer Kontrolle. Ich legte mich erstmal mit meinem Jungen hin und 14 Uhr rief ich meinem Gyn an. Zu allem Überfluss hatte dieser Urlaub. Ich rief bei der Vertretung an und die Schwester am Telefon war super lieb und äußerte dass ich in 2h da sein kann.
Als ich dann dort war und bei dem Vertretungsarzt drin war erzählte ich alles und wurde umgehend untersucht. Er fragte ob bei den Terminen immer alles gut war. Ich erzählte von dem letzten Termin und fragte ob bei dem Baby alles gut sei. Er sah auf den Bildschirm und sagte "leider nein, deshalb frage ich".
Ab dem Zeitpunkt war alles wir Nebel.
Er erklärte mir alles und zeigte mir das Bild.
Dort war nicht mehr viel zu sehen.
Er rechnete eine Woche von 8+6 aus und sagte das wahrscheinlich nach dem letzten Termin das Herzchen aufgehört hat mit schlagen. Er klärte mich auf wie drr weitere Werdegang ist und was jetzt passieren könnte.
Da es schon später Nachmittag war und ich keine Schmerzen hatte äußerte er dass er am nächsten Tag in der Klinik anruft und einen Termin ausmacht, mit dem Zusatz dass ich jederzeit in die Klinik soll wenn Schmerzen und stärkere Blutungen dazu kommen. Ein Abgang wird sich so anfühlen wie Wehen. Ich soll am nächsten Tag gg 10 nochmal in der Praxid anrufen.

Das ich nicht gut schlafen und essen konnte muss ich nicht erwähnen. Ich war nur für meinen Großen da und es verlief alles wie im Film. Meine Mutti war in der Zeit wo ich beim Arzt war bei meinem Kleinen. Ich rief nach dem Termin sofort meinen Freund an und er kam gleich von der Spätschicht nach Hause.

Am nächsten Tag rief ich wie gewünscht in der Praxis an. Ich bekam einen Termin für den nächsten Tag um 7 in der Klinik. Meine Mutti holte noch einen Krankenschein und eine Einweisung. Ich rief in der Zeit meinen Chef an und erzählte ihm dass ich dann wohl bald wieder kommen werde.
Er war geschockt und äußerte dass ich es erstmal verarbeiten soll und mich schonen soll. Danach kann ich mich wieder melden und dann sehen wir weiter.

Ich versuchte mich abzulenken und spielte mit meinem Kleinen bzw Großen.
14.00 bekam ich einen Druck im Unterleib, ähnlich wie Wehen kamen in Etappen Schmerzen dazu. 15.15 hielt ich es nicht mehr aus und rief meine Mutti an dass sie unseren Sohn holen muss und meine Schwägerin, dass sie mich in die Klinik fahren soll. Sie kamen umgehend.
Die Schmerzen wurden immer schlimmer und während der Fahrt bekam ich massive Blutung. Die Klinik ist leider 30 min entfernt. Meine Schwägerin war so blickig und hatte Handtücher dabei. Zum Glück, sonst wäre der Sitz versaut gewesen. Die Fahrt war die Hölle, bei jedem Huggel fühlte es sich an als ob ich einpullere.
In der Klinik angekommen gingen wir so schnell wir es ging in die Notaufnahme, dort wurden wir sofort dran genommen, denn ich zog eine Blutlinie hinter mir her.
Ich brauchte erst noch einen Schnelltest und wurde dann auf die Gyn geschoben. Dort wartete schon die Ärztin auf mich.
Sie bat mich mich auf den Untersuchungsstuhl zu setzen, ich versuchte aufzustehen und mich aus zu ziehen. Ich schämte mich so sehr, denn auch hier blutete ich so stark, dass eine große Pfütze Blut unter mir war und beim Hose runter ziehen immer größer wurde.
Ich setzte mich auf den Stuhl mit Hilfe der Hebamme und Ärztin und sie untersuchte mich. Es tat sehr weh und irgendwann fragte die Ärztin nach einem kleinen Behälter mit blauem Deckel. Ich dachte sie möchte eine Probe von den Stückchen entnehmen. Später erfuhr ich dass das Baby schon mit abgegangen ist. Dafür war der kleine Behälter.
Die machten mich sauber und halfen mir wieder in den Stuhl. Dann wurde ich aufs Zimmer gebracht. Vorher fragte ich noch ob ich das kleine sehen könnte. Die Ärztin fragte ob ich das wirklich möchte, ich war aber sehr neugierig und wollte es sehen. Heute muss ich gestehen, dass ich es lieber nicht getan hätte.
Sie erklärte mir alles an dem kleinen Winzling und fuhr mich dann aufs Zimmer.
1h später kam ich dann in den OP. Dort begrüßte mich ein netter Pfleger "Hey ich bin Pfleger Marki Mark, wir rutschen jetzt mal auf die andere Trage, geht das?" Er nahm die Decke weg und fragte ob ich noch wach sei.
Ich kam sofort dran und bekam die Vollnarkose. 15 min später wurde ich wieder geweckt und alles war vorbei und ich wurde in den Aufwachraum gebracht. Dort war ich noch 1h mit der Anästhesistin und der Schwester. Dort kam zum ersten Mal die Frage ob ich geimpft bin. Ich verneinte es. Die beiden schauten sich panisch an und äußerten "Na toll". Ich fühlte mich wie eine Außenseiterin und war verwirrt.
Ich musste weinen.
Ein paar Minuten später kamen beide zu mir und entschuldigten sich. Sie fragten warum ich nicht geimpft bin. Ich sagte es ihnen.
"Ich möchte noch gesunde Kinder und keine Fehlgeburten. Ich traue dem Impfstoff nicht. Das nennt sich wohl Ironie des Schicksals dass es jetzt so gekommen ist."
Wir redeten noch über andere Sachen und sie wollten mich aufmuntern. Es war nett gemeint aber geklappt hat es nicht wirklich.

Ich kam dann wieder aufs Zimmer. Und der Rest ist nicht so interessant. Am nächsten Tag wirde ich entlassen und bin seitdem zu Hause. Körperlich geht es mir gut, psychisch überhaupt nicht.

In dieser Zeit waren die Ärzte und Schwestern die ich kennen lernen durfte sehr nett und einfühlsam.

Morgen muss ich dann bei meinem Gyn und Hausarzt anrufen und um einem Termin bitten.

Wie schafft ihr das? Ich müsste dankbar für meinen gesunden Jungen sein. Aber ich könnte nur weinen.
Ich habe die ganze Zeit die Bilder von dem Blut und von dem Winzling im Kopf. Meine Hände, meine Hose, meine Beine waren voller Blut. Das werde ich so schnell nicht vergessen.
Es tut weh und ich musste es mal loswerden.

Wie lange dauert es bis dieser Schmerz vergeht?
Liebe Grüße
Jasmin

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#2

RE: Wie übersteht man das?

in Eure Geschichte 20.02.2022 23:27
von Hannah • 60 Beiträge | 60 Punkte

Liebe Jasmin, mein tief empfundenen Beileid für Deinen Verlust, was für ein traumatisches Erlebnis.
Es tut mir sehr leid dass Du da durch musst.
Die erste Zeit ist so schwer, gerade mit Kind, ich kann das gut nachvollziehen.
Du kämst ja auch nie auf die Idee, bei lebenden Kindern die Art und das Maß der Liebe zu vergleichen, in so einem Moment ist das für mich genauso. Deine Gefühle für das verlorene Baby haben nichts mit Deinem Sohn zu tun, und auch wenn es situativ hilfreich sein kann, dass bereits ein gesundes Kind da ist, die Trauer ist trotzdem groß und auch berechtigt!
Für Außenstehende, so nah sie einem auch stehen mögen, ist das Thema Fehlgeburt in den meisten Fällen - zumindest nach meiner Erfahrung - weder emotional noch sonst irgendwie nachvollziehbar und für viele geht da auch schon recht früh so ne Art Schranke runter. Ich denke dass das vor allem Selbstschutz ist. Und Unsicherheit.
Du bist hier genau richtig, so unterschiedlich die Geschichten auch sein mögen, am Ende ist da bei uns allen diese Lücke im Herzen, die nie mehr gefüllt werden kann. Es hilft, sich auszutauschen, und zu wissen dass man nicht allein ist.
Die erste Zeit ist unheimlich schwer, ich habe immer versucht, Schritt für Schritt und Tag für Tag weiter zu gehen - niemand kann Dir jetzt vorschreiben, was Du wie lange empfinden darfst und wanns denn dann auch bitteschön vorbei sein soll.
Das ist ja alles noch richtig frisch bei Dir, nimm Dir Zeit für die Trauer, Du wirst nach und nach spüren was Du brauchst und was Dir gut tut.
Ich hatte drei frühe Abgänge und ich bin eher der Typ, der die Dinge mit sich selbst ausmacht, mir tut das Trauern nicht gut, wenn es zu bildhaft und greifbar ist. Für andere wiederum ist das genau das richtige.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, für sich da auch zu einem emotionalen Frieden zu kommen, allerdings gibt's diesbezüglich hier sicher bessere und umfangreichere Beraterinnen als mich.....
Auf jeden Fall ist hier immer jemand da der Dir gern zuhört.
Fühl Dich von Herzen umarmt, Du bist nicht allein!
Liebe Grüße, Hannah

P.S. auch wenn es jetzt schwer vorstellbar ist, es wird mit der Zeit leichter, es werden wieder bessere Tage kommen und Du wirst lernen, das Erlebte in Deinen Alltag zu integrieren.
Und was auch immer in diesen ersten Wochen passiert ist, Toxoplasmose und Impfung hin oder her, es trifft Dich keine Schuld.
Manche Dinge haben wir einfach nicht in der Hand.

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#3

RE: Wie übersteht man das?

in Eure Geschichte 21.02.2022 13:51
von sternchen_37 • 286 Beiträge | 287 Punkte

Liebe Jasmin!
Willkommen hier bei uns und mein Mitgefühl für deinen Verlust! Wie Hannah bereits gesagt hat, findest du hier bei uns auf jeden Fall jederzeit offene Ohren für deine Geschichte und damit verbundenen Gefühle.
Zuerst einmal: du bist nicht Schuld am Abgang deines Babys. Impfung oder Toxoplasmose...die Natur entscheidet am Ende, ob diese fragile Wunder in unserer Welt eine Überlebenschance hat oder nicht. Das ist für uns Mamas super schwer zu ertragen, da wir ja alles tun wollen um unsere Babys zu schützen. Manchmal können wir es aber auch - und trotzdem haben wir da nichts falsch gemacht.

Wie Hannah ja auch bereits geschrieben hat, benötigt der ganze Trauer- und Verarbeitungsprozess deiner Fehlgeburt Zeit. Wie viel Zeit...das ist ganz individuell. Es kommt der Tag, manchmal ganz unbewusst, an dem man den Verlust etwas leichter ertragen kann und an dem man auch dankbar zurückblicken kann. Vielleicht hilft dir ein Trauerritual um noch einmal in einer ruhigen, vertrauten Umgebung von eurem Baby Abschied zu nehmen. Manchen hilft bei der Trauer auch der Fokus auf die Zukunft, persönliche Projekte nur für dich. Es gibt auch Trauerberater oder Psychologen, die sehr gute Hilfestellungen bieten können, wenn man selber nicht weiter weiß. Mir hat der Austausch hier enorm geholfen - das Gefühl nicht allein zu sein, verstanden zu werden von Frauen, die die eigenen Gefühle nachvollziehen können...und auch gute Tipps haben.

Klick dich, wenn du willst, hier durchs Forum. Viele, viele Erfahrungsberichte sind mittlerweile hier gespeichert.
Für den Moment wünsche ich dir, dass du körperlich weiter heilst. Außerdem hoffe ich, dass du bald wieder positiver und fröhlicher sein kannst - mit welcher Strategie auch immer.
Sei ganz lieb gegrüßt!

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