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Wie mein Herz brach und ich es nicht bemerkte

in Eure Geschichte 07.10.2021 12:40
von Ina82 • 1 Beitrag | 1 Punkte

Ihr Lieben,

gestern Abend bin ich durch gezieltes Googlen auf dieses Forum gestoßen und habe seitdem sehr viel darin gelesen. Eure Worte, euer Schmerz, euer Mut...ich habe alles nachvollziehen können. Vor fast einem Jahr verlor ich mein Herzchen in der 7. Woche, eine Woche vor dem großen und spannenden Frauenarzttermin. Nachdem ich vor ca. 2 Jahren die Pille mit 37 abesetzte, wollte ich gezielt keine Schwangerschaft planen sondern alles auf mich zukommen lassen. Ich habe auf keinen Eisprungkalender geschaut, ich hatte Sex wann ich Lust hatte, nicht wann es mir ein Kalender empfohlen hat. Plötzlich blieb meine Periode aus...das Brustziehen, die Müdigkeit, etc. habe ich nicht mit einer möglichen Schwangerschaft in Verbindung gebracht. Erst der Schwangerschaftstest hat mir die Augen und das Herz geöffnet....und 2 Wochen später wurde mir das schöne Gefühl bereits wieder genommen. Coronabedingt musste ich alleine zum Frauenarzt. Am Wochenende alleine ins Krankenhaus...danach war ich eine Woche krankgeschrieben, danach ging der Alltag weiter. Wir sind damals in ein Haus gezogen, der Umzug hat mich abgelenkt. Homeoffice forderte sein Tribut, viel war zu tun. Es folgten lange und kalte Coronamonate....Lockdown, Ausgangssperre....viele klagten, ich freute mich darüber, da kann man doch mal schön ausspannen, ausschlafen, hat keine Verpflichtungen, muss sich nicht mit Kollegen rumärgern.

Irgendwann im Winter bekam ich Zahnschmerzen. Ich ging zum Zahnarzt. Vor einer erneuten Schwangerschaft wollte ich das unbedingt abklären. Der Zahnarzt fand nichts. Meine Zähne waren gesund. Die Zahnschmerzen blieben. Danach bekam ich Kieferschmerzen. Ab zum Orthopäden. Man will ja nichts am Kiefer haben wenn man erneut schwanger wird, richtig? Der Orthopäde fand nichts. Die Schmerzen blieben. Der Winter ging, Ostern stand vor der Tür. Im späten Frühjahr bekam ich zusätzlich zu den nach wie andauernden Kiefer- und Zahnschmerzen noch Ohrenschmerzen. Ich ging zum HNO. Nicht dass ich was mit den Ohren habe, nicht vor einer Schwangerschaft. Der Arzt fand nichts an den besagten Zähnen, ein 3D- Ultraschall zeigte allerdings eine kleine Auffälligkeit an einer Stelle, an der ich keine Beschwerden hatte. Also ab zum Kieferchirurgen, denn wer will schon schwanger schwerden wenn doch irgendwas im Kiefer nicht stimmt? Es wurde eine kleine Zyste diagnostiziert, mittlerweile war Juni. OP- Termin für Juli vereinbart...das Ding muss vor einer Schwangerschaft raus. Die OP war ganz harmlos, die Schmerzen blieben, auch die OP- Narbe schmerzte. Nicht dass sich da was entzündet hat? Wäre doch schlecht vor einer Schwangerschaft.

Im Juli bin ich zusammengebrochen. Bis heute bin krankgemeldet und in Therapie. Ich habe vor einigen Wochen - auf Anraten meines Therapeuten- ein CT machen lassen und siehe da....meinem Zähnen, meinem Kiefer und meinen Ohren geht es wunderbar, die Schmerzen kommen vom nächtlichen und stressverursachten Zähneknirschen. Zurück bleibt das Gefühl, wertvolle Zeit verloren zu haben. Zwischenzeitlich wurden meine besten Freundinnen auch schwanger. Im Mai kam das erste Baby zur Welt, demnächst das zweite. Ich habe das alles monatelang verdrängt und mein Körper hat mir all diese Schmerzen geschickt weil ich den emotionalen Schmerz nicht zuließ. Nach dem CT ist ein Knoten geplatzt. Mit mir ging es aufwärts. Ich konnte wieder das Leben genießen, aus der Haustüre gehen, Lachen, alleine sein...alles Dinge, die seit dem Sommer nicht möglich waren. Wir fingen wieder an regelmäßig Sex zu haben. Letzte Woche waren wir sogar ein paar Tage in Italien, herrliches Wetter, endlich wieder sorgenfrei Schlafen und Schlemmen. Meine Brüste taten weh, machmal war mir leicht übel....am Freitag letzte Woche bekam ich meine Periode. Schade...aber dann versuchen wir es einfach weiter. Mein Mann hatte an dem Wochenende von FR bis SO eine Wandertour geplant und war nicht zu Hause. Am Samstag bin ich wieder in das tiefe Loch gefallen, aus dem ich mich gerade rausgekämpft hatte. Bis gestern Heulkrämpe, Depriphasen, viele Stunden bei den Schwiegereltern, denn Alleinsein macht mich fertig. ...
Mein Therapeut fragte mich vor einiger Zeit, ob ich mich eigentlich richtig verabschieden konnte. Ich sagte nur "ich denke schon"...ich habe doch viel geweint, der Zusammenbruch im Sommer, die vielen Tränen...jetzt weiß ich es besser, auch dank dieses Forums. Ich habe vor diesem Eintrag einen Abschiedsbrief geschrieben. Ich habe mich bei meinem Herzchen verabschiedet, es darf nun fortziehen. Ich erkenne nun, dass ich aus dieser Geschichte lernen sollte...ich habe meine Wünsche immer hinten angestellt, mich um andere mehr gekümmert als um mich selbst. Ich wollte alles planen und organisieren und wehe der Plan ging nicht auf...ich habe mich in diesem Abschiedsbrief nicht nur verabschiedet, ich habe mich auch bei meinem Herzchen bedankt. Es hat mir die Augen geöffnet, mir gezeigt, dass sich nicht alles Planen lässt....dass man frühzeitig über Probleme sprechen sollte, dass es okay ist schwach zu sein und sich Hilfe zu suchen. Ich bin heute alleine zu Hause und es fällt mir nicht schwer. Ich bin zuversichtlich, dass es mit mir bergauf geht und dass ich bereit bin erneut schwanger zu werden. Es hat lange gedauert weil ich vieles verdrängt habe. Ich danke euch für eure Worte und die Ideen, wie man sich verabschieden kann, das hat mir sehr geholfen. Dieser Schritt war wichtig, auch für meinen Kopf und die Sorgen, ob es denn erneut klappt, diese Sorgen gehören nun einfach dazu, sie dürfen nur nicht die Oberhand gewinnen.

Ich drücke euch alle und sende euch ganz viel Wärme.

Ina

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#2

RE: Wie mein Herz brach und ich es nicht bemerkte

in Eure Geschichte 07.10.2021 16:34
von Susanne • 4.595 Beiträge | 4613 Punkte

Liebe Ina, herzlich Willkommen und mein Mitgefühl für Deinen Verlust und auch das tiefe Tal, durch das du lange gehen musstest. Vielleicht ist ja tatsächlich nun ein Wendepunkt gekommen, an dem Du bist. Verdrängen ist immer das schlechteste, was man tun kann. Der Schmerz ist da und wird sich seinen Weg bahnen, sei es durch psychosomatische Beschwerden oder durch andere Probleme. Schön, dass du nun einen bewussten Abschiedspunkt setzen konntest. Man unterschätzt tatsächlich die Auswirkung, was ein bewusstes Abschiednehmen hat. Wie ich immer so sage, jede Träne, die geweint werden muss, die muss man auch weinen. Da führt kein Weg dran vorbei. Die Trauerarbeit muss geleistet werden. Schön ja auch, dass du etwas Positives aus dieser Erfahrung ziehen konntest und nun Erkenntnisse für dich und über dich gewonnen hast. Dafür kannst du deinem Sternchen dankbar sein. Fühl dich gedrückt, Susanne

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