#1

(Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 14:54
von Tina2605 • 7 Beiträge | 7 Punkte

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe euch geht es allen soweit gut und ihr hattet bis jetzt eine schöne Woche!
Meine Fehlgeburt ist heute genau drei Wochen her und da ich bzw. wir sehr offen mit dem Thema umgegangen sind, wissen viele Freunde und auch enge Arbeitskollegen Bescheid.
Ich habe bisher viele liebe Worte erhalten, was mich sehr gefreut hat.

Eine Reaktion, die ich häufig erhalte (beinahe in jedem Gespräch?!), sind Anspielungen auf eine erneute Schwangerschaft. Zum Beispiel: "Na beim nächsten Mal klappt es dann!" / "Ich freue mich schon, wenn es dann endlich klappt." / "Ich habe eine Freundin/ Tante/ Kollegin, die ist direkt beim nächsten Versuch auch wieder schwanger geworden." Ich weiß, dass die Worte überhaupt nicht böse sondern nur als Aufmunterung oder eben um Mut zuzusprechen ausgesprochen werden, aber dennoch erzeugen sie in mir eine Art Erwarungshaltung oder eher -druck, es möglichst schnell wieder zu probieren bzw. möglichst schnell wieder schwanger zu werden.

Mein Partner und ich haben unseren aktiven Kinderwunsch vorher absolut privat gehalten, wir wollten es ganz für uns und in Ruhe angehen, ohne Druck von außen. Der offene Umgang mit der Fehlgeburt hat nun natürlich dazu geführt, dass unser Wunsch offensichtlich geworden ist und unser Umfeld nun weiß, dass wir diesem auch aktiv nachgehen. Ich bin mir, wie oben beschrieben, absolut bewusst dass unsere Umgebung uns nichts Böses will. Dennoch habe ich wirklich Schwierigkeiten mit der beschriebenen Erwartungshaltung und weiß nicht damit umzugehen. Ich fühle mich ein bisschen wie auf dem Präsentierteller, so als würden alle von mir erwarten, in den nächsten Monaten wieder schwanger zu werden.

Vielleicht habt ihr ja ähnliche Gefühle / Erfahrungen? Ich fände es schön, wenn die Ein oder Andere berichten mag.
Der Austausch hier tut mir sehr gut und hilft mir oft, Gedanken neu zu justieren oder gerade zu rücken. Daher lese ich auch genauso gerne von gegensätzlichen Meinungen :-)

Viele Grüße
Tina

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#2

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 15:15
von Saskia1991 • 9 Beiträge | 9 Punkte

Liebe Tina,

erst einmal mein herzlichen Beileid für euren Verlust. Darf ich fragen wie weit du warst?

Meine FG war im Januar in der 7. SSW und seitdem habe ich auch so das Gefühl unter einem gewissen Druck zu stehen. Wenn auch unterbewusst und auch wenn ich immer versuche positiv zu denken, merke ich manchmal, dass es doch einen gewissen Druck innerlich in mir auslöst. Auf meiner Arbeit sagen Kolleginnen auch zu mir, dass es beim nächsten mal bestimmt klappt und die Familie sagt auch solche Sachen wie "die und die hatte auch schon eine FG und beim nächsten Mal hat es dann wunderbar geklappt".

Ich weiß bei den Personen auch, dass sie es absolut nicht böse meinen und uns Mut zusprechen wollen, aber es setzt mich doch unter Druck und da wir es seit einer Weile auch wieder aktiv versuchen und es bis jetzt nicht wieder geklappt hat, stören mich diese Aussagen immer mehr.

Ich kann also sehr gut verstehen was du meinst und vielleicht sagst du den Personen es so, dass du weißt, dass sie es lieb meinen, aber sie es bitte nicht mehr sagen sollen, weil du dich dann unter Druck gesetzt fühlst.

Wenn ich meinen Vertrauten erzähle, dass es wieder nicht geklappt hat, möchte ich nicht hören, dass es beim nächsten mal bestimmt klappt, weil mir ja auch nichts anderes übrig bleibt, als es weiter zu versuchen und selbst zu hoffen, dass es beim nächsten mal klappt.

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#3

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 15:54
von Bine • 893 Beiträge | 901 Punkte

Ich kenne die Sprüche zu gut und kann dich sehr gut verstehen.
Mir hat quasi nur geholfen, dass Thema dann schnell abzublocken und abzulenken, dass der Druck für mich selbst nicht zu hoch wird. Bei sehr aufdringlichen Personen habe ich auch mal klare Worte gefunden, "ich möchte darüber mit dir nicht mehr sprechen, bitte lass es sein" oder so ähnlich. Hat dann meist gewirkt und ich wurde im großen und ganzen in Ruhe gelassen.
Ich denke, für sich selbst einzustehen und eben klare Worte finden am besten - zumindest war es meine Lösung den Druck rauszunehmen und vor allem auch den Blicken, na könnte es wieder geklappt haben.

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#4

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 17:12
von Tina2605 • 7 Beiträge | 7 Punkte

Hallo Saskia,

lieben Dank für deine Nachricht! Ich war in der 6 SSW.
Es tut mir leid, dass du dasselbe Problem hast.
Hast du deine Vertrauten dann darauf angesprochen, wenn es dir mal wieder zu viel wurde?

Viele Grüße,
Tina

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#5

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 18:29
von Juli • 478 Beiträge | 496 Punkte

Liebe Tina,
es tut mir leid, dass du deinen Krümmel verloren hast. Ich kenne das von meiner ersten FG auch. Alle wussten bescheid, weil es mir gut tat drüber zu reden, aber jeder versucht dann was "nettes" zu sagen und merkt nicht, dass manchmal nichts sagen besser und einfach zuhören besser wäre. Zum Glück hat es dann nicht lange gedauert bis ich meinen Engel bekommen habe. Schlimmer wurde es eher danach. Seit nun 2,5 Jahren "arbeiten" nun am zweiten und bisher eine Eileiterschaften und zwei weitere FG... Und ständig fragt irgendjemand (auch total fremde) ob es nicht an der Zeit wäre nachzulegen... paar mal, war das so frech gefragt, dass ich da mal einfach erzählt habe, dass mich die ELS fast umgebracht hat und ich seitdem noch 2 FG hatte und ständig Angst habe wieder eine ELS zu haben und dass ich finde, dass ich es wichtiger finde, dass mein Kind eine Mutter hat. Bei manchen (darunter meine Eltern) vermeide ich jedes Gespräch darüber. Irgendwann lässt es nach... man darf da wirklich einfach nicht zuhören. Es ist schön, dass es bei manchen gleich wieder klappt, aber manche müssen ihren Verlust auch erst verarbeiten. Ich versuche auch immer positiv zu denken, aber jedesmal ist im Hinterkopf auch die Stimme zu hören, dass es überall gleich klappt, nur hier bei mir nicht... die wirklichen Freunde reden nur drüber oder fragen, wenn ich drüber reden möchte und keiner erzählt mir mehr irgendeine schnell schwanger story. Darauf kommt es an, die anderen blende ich aus.

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#6

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 15.04.2021 18:53
von eligr710 • 1.720 Beiträge | 1724 Punkte

Liebe Tina,

es tut mir leid, dass du dein Kind verloren hast 💛

Ich habe selber 2 Sternchen und keine Kinder und habe mich monatelang krass unter Druck gesetzt gefühlt - auch von meinem Mann, weil er meinte „bei uns klappt es ja super schnell, es wird in den nächsten 2-3 Monaten“.

Von der ersten FG weiß sogar mein Chef, weil es so fortgeschritten war. Von beiden Fehlgeburten wissen nur unsere Eltern und paar engste Freunde und sie sprechen uns eigentlich gar nicht an, trotzdem hatte ich mich unter Druck gesetzt gefühlt. Und natürlich fragen manchmal Bekannte oder Kollegen wie es ausschaut...je nachdem wer es ist, sage ich denen, dass es sie nichts angeht oder dass man solche Sachen Leute nicht fragt. Dann ist auch Ruhe.

Ich fühle mich aber aktuell sehr entspannt, weil ich mich entschieden habe, dass es mir egal ist was andere Leute denken und sagen. Ich habe dadurch auch nicht mehr so eine Erwartungshaltung von mir selbst, dass es klappen muss und bin irgendwie viel glücklicher. Hoffe, dass das Gefühl anhalten wird 😊

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#7

RE: (Gefühlter) Erwartungsdruck von außen

in Dies und Das 16.04.2021 07:07
von Susanne • 4.598 Beiträge | 4616 Punkte

Hallo Tina, ich habe/hatte den Eindruck (auch bei mir persönlich), dass es häufig eher ein hausgemachtes, persönliches Problem ist, gar nicht mal so sehr, weil das Umfeld bewusst Druck macht, sondern man selber dafür sorgt. Hättest Du weniger "Leistungs-"Druck, wenn die Leute gar nichts in der Hinsicht sagen würden? Oder bist eher Du es, die es so empfindet, weil die anderen jetzt einfach nur davon wissen?

Beispiel: jemand möchte eine Diät machen, weil er sehr übergewichtig ist, das erzählt er auch dem Umfeld und ab nun hat er auch einen nochmal erhöhten Druck, weil er in den Augen der anderen nicht als "Versager" da stehen möchte. Keiner muss fragen "na, wieviel kg sind schon weg", er interpretiert harmlose Fragen als Sticheleien in die Richtung. "Wie geht es Dir?" Obwohl nicht gesagt hört er : "...und wieviel hast Du schon abgenommen?"
Alles, was man offen kommuniziert, führt dazu, dass man selber den Druck auf sich erhöht, weil man es dann auch noch den anderen beweisen will. Die Meinung und das Ansehen der anderen ist einem eben nicht egal. Man möchte einfach als wertvoll und annähernd perfekt wahrgenommen werden und gleichartig, stereotypisch wie die Mehrheit sein. Daher wird alles, was das Bild irritiert, ungerne offen gesagt - eben auch Fehlgeburten oder eine langer Kiwu-Weg (Krankheiten, schlechte Gefühle, Homosexualität... ach , die Liste ist endlos). Das Selbstwertgefühl hängt sehr davon ab.

Liebe Grüße, Susanne


zuletzt bearbeitet 16.04.2021 07:28 | nach oben springen


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