#1

Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 19.10.2019 14:30
von melanie • 1 Beitrag | 1 Punkte

Hallo Ihr Lieben.
Ich bin neu hier und will euch kurz erzählen, was in den letzten Wochen bei mir passiert ist.
Ich bin aktuell 26 und verlobt, hatte, bisher, keine Kinder. Wir wollen definitiv Kinder, aber damit wollten wir noch 1-2 Jahre warten.

Vor 3 Monaten ist meine geliebte Großtante gestorben. Das war sehr hart für mich. Deswegen ist es mir später auch gar nicht aufgefallen, dass ich schwanger sein muss. Ich hab seltsam gegessen, damit meine ich, ich hab eigentlich fast jeden Tag nur noch Nudelsalat gegessen (wohl gemerkt, ich liebe Nudelsalat in jeder Variation, also esse ich ihn von Haus aus sehr oft). Mir ist schon aufgefallen, dass ich einen kleinen Bauch kriege, obwohl ich nicht wirklich zugenommen habe.
Aber auf die Idee, einen SS-Test zu machen, hat mich erst mein Vater gebracht (aufgrund eines Scherzes).

Ich hatte vor ein paar Wochen (Mitte September) eine Bauchgrippe...dachte ich zumindest. Ich hatte schon seit einigen Tagen immer wieder ein ungutes Gefühl im Magen, Sonntag lag ich dann flach und hab mich nur übergeben, aber kein Fieber, kein Schüttelfrost, nur deftige Übelkeit.
Mein Vater ist Hausarzt und hat mir nach mehreren Stunden Erbrechen Vomex gespritzt (hilft gegen die Übelkeit und man kann etwas schlafen). Bevor er es mir gespritzt hat, hat er mich angeschaut und gemeint: Schwanger bist du aber nicht?
Ich nur so: nein, natürlich nicht (ich und mein Verlobter verhüten ja).
Montag musste ich nicht mehr erbrechen, aber mir war immer noch schlecht. Und plötzlich reagierte ich auf jeden noch so kleinen Essensgeruch. Mich hat es richtig gewürgt, wenn ich in die Küche ging, ich konnte nur mit angehaltenem Atem schnell rein und mir ein Glas Wasser holen.
Und ich dachte wieder an die Worte meines Vaters. Donnerstag hab ich einen SS-Test gemacht und der war positiv.
Ich war erst überrumpelt; der Moment ist nicht der Beste gewesen; mein Verlobter ist noch im letzten Ausbildungsjahr, was er 3 Autostunden von mir entfernt absolviert, weil seine Filiale ein Jahr zuvor dicht gemacht hatte und er dort hin versetzt worden war. Also im Moment führen wir eher eine Fernbeziehung, da er nur an den Wochenenden hier ist.
Ich brauchte ein paar Tage für mich selbst. Und dann war ich beim Gyn und habe das Herz meines Baby gesehen und mir war sofort klar: ich kann es nur lieben, das hier ist mein Baby. Der Gyn hat gesagt, alles ist gut, alles ist für die Woche richtig entwickelt, das Herz schlägt wie es schlagen soll. Meine Werte waren alle gut, Blut, Infektionstest, ich war gesund und dachte nicht mal darüber nach, dass etwas passieren könnte.
Da mir in den ersten Wochen recht schlecht war, bin ich auch sehr viel gelegen, also keine Belastung.
Mein Verlobter hat sich gefreut, meine Eltern haben sich gefreut, wir haben Pläne gemacht und Einkaufslisten (vorsorglich, einkaufen wollten wir natürlich erst, wenn wir das Geschlecht wissen).
In 4 Wochen sollte der nächste Kontrolltermin beim Gyn sein.

Zwei Wochen später, ich war zwei Tage allein zu Haus, bekam ich einen Anruf: meine Oma war gestorben. Da ist wieder eine Welt für mich zusammengebrochen. Ich habe sie geliebt und damit hat keiner gerechnet, auch wenn sie schon seit einigen Jahren ein Pflegefall war, in letzter Zeit war sie absolut stabil.
Ich hab zwei Tage nur geweint und war fertig, mir war aber schlecht, ich konnte also nicht mal zu meinem Opa fahren, musste warten, bis meine Eltern von der Fortbildung wieder da waren. Ich weiß noch, dass ich mir dachte: ich muss mich beruhigen. Das ist nicht gut für das Baby.
Als meine Eltern da waren, sind wir dann zu meinem Opa gefahren. Wir hielten es für eine gute Idee, ihm zu sagen, dass er Uropa wird, damit er sich wenigstens ein Bisschen freuen kann, was er auch tat.

So.
Diese Woche, 11. SSW, Dienstag, am 15.10.19, hatte ich den normalen Kontrolltermin. Ich hab mich gefreut, mein Baby wieder zu sehen, bin alleine hingefahren, weil mein Verlobter ja in Arbeit war und wir haben geplant, dass er die nächsten Male sich frei nimmt, wenn man dann schon mehr sieht (evtl. Geschlecht).
Ich hab erst mit dem Arzt geredet, alles passt, ich fühl mich super, keine Beschwerden.
Diesmal wollte er über den Bauch schallen. Ich hab mich hingelegt und dann war er erstmal still. Nun arbeite ich bei meinem Vater in der Hausarztpraxis und ich bin zwar keine Expertin, aber ein gewisses Bild, wie das ausschauen müsste, habe ich sehr wohl. Der Doc meinte dann, wir müssen doch unten rein, da ich recht schlank bin sieht man bei mir nicht so gut (das Problem hatte ich tatsächlich schon öfter, darum hat mich das nicht gleich in Panik versetzt). Also hab ich mich ausgezogen und auf den Bildschirm gestarrt. Und diesmal hab ich gefragt: warum ist da keine Herzbewegung?

Erst sagte er immer noch nichts. Und dann kamen die schlimmsten Worte meines Lebens: Frau H., ich hab leider eine schlechte Nachricht für Sie.
Ich hab es irgendwie noch nicht richtig realisiert. Er gab mir eine Überweisung zur Ausschabung. Er meinte, das ist schlimm. Aber jetzt müssen WIR erstmal ein meine Gesundheit denken. Das Baby hatte schon 2 Wochen vorher aufgehört zu wachsen. Es ist normalerweise kein Notfall, aber wenn ich Entzündungszeichen bemerke, Fieber, Schmerzen oder Blutungen, solle ich sofort in die Notaufnahme fahren.
Ich glaube, sie wollten noch Blutabnehmen, aber ich einfach die Überweisung genommen und bin, wie auf Autopilot, aus seiner Praxis raus, bin ins Auto gestiegen und nach Hause gefahren. Ich ging in die Küche und da hab ich dann fast einen Zusammenbruch gehabt. Ich hab angefangen zu weinen und laut zu hyperventilieren. Meine Mutter hat mich im Wohnzimmer gehört und ist zu mir gerannt.
Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, ich hatte die Höllenkopfschmerzen meines Lebens.
Am nächsten Tag sind wir dann ins Krankenhaus gefahren (ich, meine Mutter, mein Verlobter kam direkt dorthin), mein Vater hat schonmal dort angerufen, er wollte auf alle Fälle, dass sich das der Chefarzt der Gynäkologie nochmal anschaut, nur zur Sicherheit. Es ging noch nicht um die Kürettage, die wollte ich eigentlich abwarten, bis sich das Kind von alleine gelöst hatte (am Abend zuvor hab ich noch gegoogelt und wusste daher, dass das möglich ist) Ich war dort, die haben Blut abgenommen und den Befund bestätigt: mein Baby ist tot.
Und dann wollten sie gleich einen Termin ausmachen für die Ausschabung. Ich hab gesagt, ich will noch warten.
Und dann kam eine Ärztin und meinte, morgen ist uns was frei geworden. Ich bin zusammengebrochen. Ich hab geweint und hab nur gesagt: nein, nein, nein. Mein Verlobter hat mich festgehalten und gefragt: Du bist noch nicht bereit, oder? Das ist in Ordnung.
Aber die Ärztin meinte, ich hätte schon leichte Entzündungszeichen und je schneller das "tote Schwangerschaftsmaterial" heraus ist, desto schneller könne ich damit abschließen. Ich hab gesagt, nein, erst nächste Woche, vielleicht kommt es noch von alleine.
Dann haben sie mich gleich zum Narkosearzt geschickt, der hat auch wieder auf mich eingeredet und dann sollte ich nochmal hoch in das Zimmer, wegen dem Termin. Da haben sie nochmal auf mich eingeredet, bis ich schließlich zugesagt habe.
Donnerstag, den 17.10.19 hatte ich die Ausschabung. Ich hab nur geweint. Die haben mir Beruhigungstabletten gegeben und jedem scheiß Arzt im Krankenhaus fällt nichts besseres ein als: Ach, Frau H., seien sie nicht traurig. Das passiert manchmal einfach, Sie sind nicht schuld, wahrscheinlich hatte es einen Gendefekt. Sie sind jung und gesund und können noch ganz viele Kinder kriegen.
Ich war so froh, als die Narkose eingesetzt hat und ich gemerkt hab, wie ich wegtrete.
Am Nachmittag habe ich das Krankenhaus wieder verlassen. Ich war so fertig. Aber ich konnte schon nicht mehr weinen, ich war einfach leer.

Eine Mutter sollte das nicht machen. Sie sollte sich nicht hinlegen, damit ihr irgend welche Typen einfach ihr Baby aus dem Bauch heraus reißen.
Ich habe das Gefühl, mein Kind nochmal getötet zu haben. ich weiß, es ist verrückt und ich weiß, es war schon tot. Aber es wollte noch nicht raus, es sollte so lange sicher in meinem Bauch bleiben, bis es bereit ist zu gehen.
Ich kann nur weinen, den ganzen Tag, ich bin so fertig.

Aber das ist noch nicht genug:
ich weiß nicht, was ich verbrochen habe in meinen früheren Leben, dass ich so bestraft werde.
Aber Freitagmorgen, gestern, der Tag nach der Ausschabung, ruft meine Cousine an (und natürlich gehe ich ans Telefon weil ich immer ans Telefon gehe, wenn es schlechte Nachrichten gibt): Mein Onkel und Taufpate liegt im Sterben. Wenn wir uns verabschieden wollen, müssen wir sofort kommen.
Wir sind also gestern stundenlang nach München ins Krankenhaus gefahren, ich hatte richtige Weinkrämpfe, meine Eltern wollten erst, das ich nicht mitkomme, aber ich hab gesagt, ich muss mich doch verabschieden. Mein Unterleib blutend und schmerzhaft, aber das war mir egal, denn meinem Kind konnte ich nicht mehr schaden.

Jetzt, im Moment, sitzen wir wieder zu Hause und warten eigentlich nur auf den Anruf, dass mein Onkel verstorben ist. Ich hatte die ganze Nacht extreme Unterleibsschmerzen. Mein Vater hat heute morgen noch einen Schall gemacht und einen Bluttest, aber das scheint wirklich nur vom psychischen Stress zu kommen. Ich kann nicht mal mehr weinen, heute zum 1. Mal, weil ich einfach nicht mehr kann.
Ich bin sogar so weit, dass ich lachen könnte, weil meine ganze Situation wie aus einem schlechten Drehbuch ist.

Nächste Woche ist die Beerdigung meiner Oma und ich weiß noch nicht mal, ob ich die Kraft haben werde, dort hin zu gehen, weil es mir aktuell körperlich so schlecht geht, aber auch, weil ich noch mit niemandem über die Fehlgeburt reden will oder gar kann und da so viele Tanten und Cousinen sein werden und die sind von der Art, dass sie einfach nicht die Klappe halten können und einen Überrennen.

Tut mir leid, dass das hier so langwierig geworden ist. Im Moment sitze ich zu Hause auf dem Sofa, schlucke Schmerztabletten, weil mein Unterleib so weh tut und trinke Tee und überlege, wie ich weiter leben soll.

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#2

RE: Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 19.10.2019 14:55
von Susanne • 4.687 Beiträge | 4705 Punkte

Liebe Melanie, schön, dass Du bei uns bist, auch wenn uns uns alle hier ein sehr trauriger Anlass zusammengeführt hat.
Bei Dir ist es ja noch wirklich sehr frisch und der Tod ist ja leider gerade sehr, sehr präsent in Deinem Leben. Alles sehr viel für einen Menschen.
Und leider beschreibst Du genau den Ablauf wie er in Deutschland leider immer und wieder ist, wenn eine Frau eine Fehlgeburt erleidet. Zack, Überweisung und ehe man sich versieht liegt man auf dem OP- Tisch. Und leider sind dann viele Frauen so überrumpelt, dass sie zusagen, und sobald sie wieder etwas Fassung gewinnen, leiden sie sehr unter der "Beraubung" ihres Kindes. Der Abschied fehlt und man ist plötzlich alleine. Fühl Dich feste gedrückt, ich weiss wie weh der seelische Schmerz tut. Und in der Regel können sich Umstehende, die es nicht erlebt haben, nicht gut in die Lage versetzen. Deswegen ist es gut, dass Du hier bist, wir können es leider alle sehr gut nachvollziehen wie sehr der Verlust schmerzt. Schreib Dir Deinen Kummer von der Seele. Susanne


zuletzt bearbeitet 19.10.2019 15:46 | nach oben springen

#3

RE: Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 19.10.2019 14:57
von Umut • 2.688 Beiträge | 2690 Punkte

Hallo, Da hast du ja einiges durch in letzter Zeit.

Das mit der Klinik und wie sie mit den Toten Babys umgehen finde ich auch so schlimm. Das es nicht als Lebewesen gesehen wird. Verstehe da die Ärzte nicht.

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#4

RE: Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 19.10.2019 16:03
von DieLilly90 • 157 Beiträge | 164 Punkte

Hallo Melanie
Echt schlimm was du durchgemacht hast.
Wenn dann kommt auch leider alles auf einmal.
Sowie Susanne schon schrieb ist es richtig wenn du dir hier alles von der Seele schreibst.
Ich weiß das es schwer ist sich auch mit seinen Angehörigen auseinander zusetzen und wenn du dich dafür nicht bereit fühlst ist das auch in Ordnung. Tue nur das wofür du dich wirklich bereit fühlst!

@umut
die Ärzte haben nichts damit zu tun das es nicht als Lebewesen angesehen wird. Da ist leider die Gesetzgebung dran Schuld!

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#5

RE: Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 19.10.2019 16:08
von Steffi9187 • 1.128 Beiträge | 1160 Punkte

Es tut mir sehr leidliebe Melanie.du hast echt viel durchgemacht.

Das mit der Ausschabung erging mir ähnlich. Im Krankenhaus hat man mir nach der Ausschabung kurz gesagt " es ist alles gut gelaufen, hat 5 min gedauert"...
Ich dachte mir nur, toll in 5 Minuten habt ihr mir mein Baby aus dem Leib gerissen...
Es ist furchtbar.

Ich wünsch dir ganz viel Kraft für die kommende Zeit und viele liebe Menschen um dich herum.
Fühl dich fest gedrückt.


Luca SSW 22+6 *+ 15.09.18 Du fehlst so sehr :(
Krümel SSW 9+1 + 28.05.19
zuletzt bearbeitet 19.10.2019 16:09 | nach oben springen

#6

RE: Die schlimmste Woche meines Lebens...

in Eure Geschichte 20.10.2019 17:55
von Susanne • 4.687 Beiträge | 4705 Punkte

Hallo Melanie, wie geht es Dir?

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