#1

Kleine Geburt Ende der 12. Woche

in Eure Geschichte 04.07.2022 09:45
von Winterkind • 2 Beiträge | 2 Punkte

Hallo,
am 21. Juni ist unser kleines Baby ganz plötzlich und für uns völlig unvorhergesehen zuhause still geboren.
Seitdem habe ich viel zu dem Thema gelesen und habe den Weg hierher gefunden.
Ich habe etwas gebraucht, aber möchte jetzt doch gerne meine Geschichte mit euch teilen.

Mein Mann und ich haben zwei wundervolle Töchter (7 und 4 Jahre alt). Ich war sehr gerne schwanger und hatte großes Glück. Alles lief komplikationslos.
Ich wollte immer gerne drei Kinder. Mein Mann zu dem Zeitpunkt nicht.

Im November 2021 wurde ich trotz Spirale schwanger. Nach dem ersten Schock haben wir uns sehr gefreut. Leider hat das Herz nie geschlagen und in der 8. Woche setzten plötzlich Blutungen ein. Aufgrund der liegenden Spirale (sie war zerbrochen und in der Gebärmutterwand verhakt) rieten mir alle von einer natürlichen Geburt ab. Ich hatte auch Angst, dass dabei etwas kaputt gehen könnte. Also fuhr ich alleine ins Krankenhaus. Dort musste ich nüchtern ca. 8 Stunden alleine auf dem Flur sitzen bis ich operiert werden konnte. Ich kann mich nicht erinnern, dass zu irgendeinem Zeitpunkt ein Arzt mit mir gesprochen hätte. Es war eine sehr schlimme Erfahrung für mich. Das lange Warten und vor allem, dass unser Sternenkind einfach so weg war.
Durch die ungeplante Schwangerschaft kam auch bei meinem Mann der Wunsch nach einem dritten Kind auf.
Im Januar haben wir dann die Verhütung weggelassen und auf ein Wunder gehofft. Es dauerte vier Monate und jedes Mal war die Enttäuschung ein bisschen größer. Ende April war es dann endlich so weit. Wir haben uns so gefreut!
Trotzdem war ich bei jedem Toilettengang nervös, ob es vielleicht bluten würde. Zu tief saß der Schock von den starken Blutungen im November. Doch da gab es so viele Gründe, warum wir das Kind verloren haben. Die Impfung, die zerbrochene Spirale und ich wurde geröntgt.
Einen Frauenarzttermin machte ich erst für die 7. Woche aus. Ich wollte dieses Mal nicht zittern müssen, ob sich ein Herzschlag erst noch entwickeln würde.
Am Montag, den 16.05. lernte ich meine Hebamme kennen. Ich mochte sie gleich. Sie macht auch Hausgeburten.
Einen Tag später, am Dienstag, den 17.05. hatte ich den ersten Frauenarzttermin. Ich sah unser kleines Baby. Sein Herz schlug. Alles war genau so, wie es sein sollte. Ich war wahnsinnig erleichtert. So ein wunderschöner Termin. Meine Ärztin wünschte mir alles Gute für das Baby. Und ich hatte gar nicht das Gefühl, dass das nötig sei. Natürlich würde dieses Mal alles gut gehen.
Es folgte eine wunderbare Woche und am Mittwochabend vor Himmelfahrt (25.05.22) erzählten wir es abends im Bett den Kindern. Sie freuten sich so sehr. Meine Große fragte besorgt, ob dieses Baby auch sterben wird, aber wir versicherten ihr, dass dieses Mal bestimmt alles gut gehen würde.
Am nächsten Morgen, Donnerstag, der 26.05.22, ich war inzwischen in der 9. Woche spürte ich während des Frühstücks plötzlich Schmerzen im Unterleib. Ich ging aufs Klo und ein Schwall hellrotes Blut kam. Ich schrie nach meinem Mann und weinte, dass wir das Baby verloren hätten und dass wir nie drei Kinder haben werden.
Wir beschlossen ins Krankenhaus zu fahren. Ich möchte das Baby zuhause bekommen, aber wollte vorher wissen, ob es wirklich eine beginnende Geburt ist. Aber was soll es sonst sein.
Im Krankenhaus musste ich alleine vor dem Kreissaal warten. Zusammen mit mehreren hochschwangeren Frauen. Ich denke mir, dass sie sicher auch gerade alle große Angst haben, dass was mir ihrem Baby sein könnte.
Endlich war ich dran. Im gleichen Raum wie im November.
Wir sahen mein Baby. Das Herz schlug und es ist passend zur Woche entwickelt. Ich habe allerdings auch ein großes Hämatom. Ich kann stationär bleiben oder nach Hause gehen. Soll mich viel ausruhen, Magnesium und Buscopan nehmen. Die Ärztin sagte, man kann nichts machen. Ich sollte nicht schwer heben, es wäre schade um das Baby, das gut entwickelt ist.
Wir fahren nach Hause.
Seitdem lag ich hauptsächlich auf dem Sofa. Die Blutungen wurden weniger.
Am Montag, den 30.05. bei der Kontrolle war alles gut. Das Baby war wieder gewachsen, sein Herz schlug und das Hämatom organisierte sich. Ich war so erleichtert.
Am Dienstag bekam ich wieder Blutungen. Ich hatte Angst, konnte es aber aushalten, da die Ärztin im Krankenhaus mich darauf vorbereitet hatte, dass es wieder bluten könnte. In der Nacht zu Mittwoch kamen Schmerzen hinzu. Die Blutung hörte nicht auf. Wir dachten, dass wir das Baby verlieren. Heiner nahm sich frei und wir fuhren Mittags wieder zur Ärztin. Sie vermutete ein Hämatom neben dem Baby. Dem Baby ging es gut. Wieder nach Hause und weiter ausruhen. Am Donnerstag blutete es auch noch und am Freitag fuhr ich noch mal zur Kontrolle vor dem Pfingstwochenende hin.
Das Baby war prima entwickelt. Die Ärztin sah eine zweite Fruchthöhle neben dem Baby und darunter das sich organisierende Hämatom. Wir dachten einen Auslöser für die Hämatome gefunden zu haben und ich fuhr erleichtert nach Hause.
Am kommenden Donnerstag, den 09.06. dann der Dämpfer. Die zweite Fruchthöhle war ein weiteres Hämatom. Es lag neben und über dem Baby und maß 3x6 cm. Es hatte sich seit dem letzten Termin von der Größe fast verdoppelt. Die Ärztin nannte die Situation knifflig und sagte, dass ich zum nächsten Termin gerne meinen Mann mitbringen darf. Dem Baby ging es gut, auch wenn es sehr ruhig war, und es war von der Entwicklung sogar ein paar Tage weiter (10+3 statt 10+1). Ich nahm jetzt Progesteron und am 14.06. sollte die nächste Kontrolle und das 1. Screening sein.
Dienstag, der 14.06.22: Mein Mann war dabei und wir sahen unser Baby. Es war wieder gewachsen. Ich war bei 10+6, das Baby sah aber weiter aus. Es lag in der gleichen Position wie beim letzten Mal, mit dem Gesicht nach unten auf den Händen. Für ein Foto drehte es sich auf den Rücken. Das Hämatom war nicht kleiner geworden und maß nun 2x7 cm. Es organisierte sich aber und war nur noch in Teilen flüssig. Die Plazenta dünnte sich zum Hämatom hin aus.
Wir waren erleichtert und positiv gestimmt.
Zuhause sagte ich den Kindern, dass sie es jetzt auch im Kindergarten erzählen dürften.
Alles war gut und ich war zuversichtlich, dass das viele Liegen hilft. Außerdem war ich ja schon in der 12. Woche und danach treten Hämatome seltener auf.
Am Dienstagmorgen, den 21.06. ahnten wir nicht, dass unser Baby heute geboren werden wird. Ich hatte nach dem Aufstehen eine leichte brauner Schmierblutung. Mein Mann fuhr zur Arbeit.
Als ich mit meiner kleinen Tochter am Tisch saß, wurde mir plötzlich warm und ich schwitzte. Ich hatte Angst, dass ich ohnmächtig werde. Ich legte die Beine hoch und es wurde schnell besser.
Ich machte die Kinder fertig und ging zur Toilette. Auf dem Klo dann blutete ich stark und dunkel. Ich fuhr die Kinder in den Kindergarten und gab noch ein Rezept bei der Apotheke für mehr Progesteron ab. Ich würde es nicht brauchen.
Zuhause blutete es wieder. Ich schrieb mit meinem Mann und legte mich aufs Sofa. Ich dachte, dass ich so blutend sowieso nicht zur Ärztin fahren und sie auch nichts machen kann. Ich dachte, dass das Hämatom vielleicht seine Lage verändert hat und jetzt ausblutet. Eigentlich gut. Vielleicht? Unser Baby war doch schon so groß, das kann nicht mehr mitgerissen werden, dachten wir. Ich telefonierte gegen 12 Uhr mit meinem Mann. Die Blutung ist weniger geworden. Dafür hatte ich jetzt mäßig starke Unterleibsschmerzen. Hatte ich aber wegen des Hämatoms schon öfter. Ich nahm eine Ibuprofen. Es brachte nicht wirklich viel. Um kurz vor eins kamen meine Eltern. Wir redeten kurz und sie fuhren die Kinder abholen. Ich ging auf die Toilette. Ein Schwall Blut kam und ich spürte mehrere große Koagel aus mir rausrutschen. Ich bekam Angst, da es sich nicht richtig anfühlt, dass Koagel aus mir rausfallen, aber ich hoffte, dass es das Hämatom sei. Ich war erstaunt wie viel es ist und erleichtert, dass es nicht das Baby war.
Ich schrieb meinem Mann dass er bitte kommen solle. Ich lag auf dem Sofa und die Kinder kamen. Sie sollten nichts merken. Sie sollen gleich mit meinen Eltern zur Grundschule fahren. Ich hatte leichte Schmerzen und spürte wie meine Gebärmutter unten rechts ganz hart und kugelig wurde. Dann fuhren sie endlich.
Ich ging zur Toilette. Mein Handy nahm ich mit. Es blutete, es kam wieder ein Koagel. Ich schaute zwischen meine Beine und sah und fühlte, dass etwas feststeckte und aus mir rausschaute. Ich wusste, was es ist und dachte, dass es nicht wirklich passieren kann. Ich dachte, dass es auf keinen Fall ins Klo fallen darf. Ich nahm es in die Hand und zog es aus mir raus. Es war unser Kind, unser kleines, kleines Baby. Ich dachte, dass das gerade nicht wirklich passiert. Es war hautfarben, vielleicht 5 cm lang, die Hände lagen unter dem Kopf. Es schien zu lächeln. Ich sah die Nase und die dunklen, blauen Augen, den großen Kopf. Ich sah den Bauch, unter der Haut sieht es dunkel aus. Hat es Blut geschluckt? Ich sah und fühlte die Rippen. Ich sah die Hände mit den kleinen zarten Fingern und die Füße mit den winzigen Zehen. Es hatte die Beine angewinkelt. Ich legte das Baby auf ein Stück Klopapier. Hätte ich nur schon gewusst, dass man Babys in Wasser legen kann. Ich rief meinen Mann an und sagte, dass ich das Baby in der Hand halten würde. Er war geschockt. Er saß im Auto. Wir telefonierten. Ich weinte. Weitere Koagel fielen aus mir raus. Ich nahm das Baby in ein Handtuch gewickelt mit aufs Sofa. Ich sah es mir noch mal an. Hätte ich doch nur unsere Hebamme angerufen. Vielleicht wäre ich bei der Geburt nicht allein gewesen. Vielleicht hätten wir unser Baby in Wasser gelegt. Wir hätten schöne Fotos machen können. Jetzt haben wir nur die Fotos vom Tag danach. Zum Glück haben wir Fotos gemacht. Ich wollte erst nicht. Jetzt wüsste ich nicht, was wir ohne sie täten.
Mein Mann kam nach Hause. Er sah sich das Baby an. Wir lagen im Bett und weinten. Unser Baby lag in ein Handtuch gewickelt neben mir. Immer wieder tastete ich durch das Tuch vorsichtig nach ihm. Spürte seinen festen Körper und weiß, dass es da war. Das es wirklich passiert war. Unser Kind ist tot.

Wir haben unser Baby am nächsten Tag im Garten beerdigt. Die Kinder haben eine Kiste gestaltet und wir haben einen Sternchenstrauch auf das Grab gepflanzt. Meine Hebamme war schon ein paar Mal da und unterstützte mich mit Hirtentäscheltinktur dabei, dass die Plazentareste, die noch in der Gebärmutter waren, abgingen. Meine Ärztin ist ebenfalls sehr lieb. Sie rief mich gleich an, als ich ihr schrieb, was passiert war und nahm sich viel Zeit für mich und meinen Mann. Sie wollte zunächst, dass ich noch eine Ausschabung mache, war aufgrund der guten Werte aber auch bereit, abzuwarten.
Morgen erfahre ich, ob ich um die Ausschabung drum rum komme oder leider doch noch ins Krankenhaus muss.

Vielen Dank, dass ihr euch meine Geschichte durchgelesen habt.
Ich verdränge gerade noch viel und möchte mein Kind einfach nur wieder haben. Mein Bauch ist so leer und es ist schrecklich, dass es ganz alleine in der Erde liegt.

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#2

RE: Kleine Geburt Ende der 12. Woche

in Eure Geschichte 05.07.2022 10:01
von Katrin • 373 Beiträge | 373 Punkte

Liebes Winterkind, es tut mir so leid, was du durchmachen musstest und musst. Ich fühle mit dir, mit euch.
Am Geburtstag eures Babys haben wir erfahren, dass auch unser 2. Kind gestorben ist. Am Freitag kam es zur Welt und auch wir haben es im Garten beerdigt. Ich habe gezittert, ob noch eine Ausschabung nötig ist, weil Reste in der Gebärmutter waren. Ich hatte bis gestern Abend so schreckliche Nachwehen, dass ich doch zur Ausschabung bereit war und schon alles unterschrieben war. Da kam auf der Toilette noch ein riesiges Stück. Das wars. Ich musste haarscharf doch nicht in den OP.
Ich wünsche dir sehr, dass auch dir die Ausschabung erspart bleibt. Es ist schließlich auch so schon schlimm genug.
Allein deine Schwangerschaft klingt sehr anstrengend und zermürbend so zwischen Hoffen und Bangen. Und dann tut es so weh, wenn das Kind gehen muss, bevor wir es kennenlernen konnten.
Ich wünsche dir Halt in der Familie und tröstende Menschen um dich herum und ich wünsche uns, dass wir wieder heil werden können.
Liebe Grüße von Katrin

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#3

RE: Kleine Geburt Ende der 12. Woche

in Eure Geschichte 06.07.2022 08:43
von Winterkind • 2 Beiträge | 2 Punkte

Liebe Katrin,
hab vielen Dank für deine Worte. Es tut mir so Leid, dass auch du das erleben musstest. Ich habe mir jetzt deine Geschichte durchgelesen und bin ganz erschrocken, welche Schmerzen du aushalten musstest. Ich hoffe, du bist jetzt wieder zuhause und kannst dich von den letzten Tagen erholen.
Ich muss zum Glück nicht ins Krankenhaus. Die Gebärmutter ist so gut wie leer (was gut ist, aber sich gleichzeitig so schrecklich anfühlt oder?). Darüber bin ich so froh. Da bei mir kein großes Stück mehr kam, hatte ich wirklich Sorge, dass dem nicht so sei. Und ich muss sorgen, dieses ganze in sich reinhorchen, ob es mir noch gut geht und die Ungewissheit, ob sich vielleicht etwas entzündet, fand ich sehr zermürbend. Wenigstens bleibt mir so die Ausschabung erspart. Niemand kann mir sagen, warum ich Hämatome hatte. Aber da ich in den ersten Schwangerschaften keine hatte, kann ich den Gedanken nicht verdrängen, dass es etwas mit der Ausschabung im November zu tun hat und bin so froh, dass ich dieses mal drum herum gekommen bin.
Abgesehen von dem Körperlichen fällt es mir schwer in einen Alltag zurückzufinden und ich glaube, ich will das auch noch gar nicht. Ich möchte noch ganz viel an unser Kind denken und weinen und wissen, dass es da war. Wie du schreibst, es tut so weh. Und ich empfinde es als so sinnlos.
Ich habe zum Glück ganz liebe Menschen um mich mit denen ich sprechen kann. Das hilft. Und meine beste Freundin hat uns eine Karte geschrieben. Das finde ich so schön. So haben wir etwas greifbares, was bleibt.
Habt ihr einen schönen Platz im Garten aussuchen können? Unseren Platz sieht man vom Wohnzimmerfenster aus. Das ist für mich sehr schön. Manchmal lege ich mich auch in den Garten, um dem Kleinen ganz nah zu sein. Es ist so schwer und so traurig, dass ich es nicht mehr behüten und tragen kann.
Ich wünsche uns auch, dass wir heil werden können. Das werden wir auch ganz bestimmt. Auch wenn ich es mir jetzt noch nicht vorstellen kann.
Es fehlt mir so sehr.
Ganz liebe Grüße

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#4

RE: Kleine Geburt Ende der 12. Woche

in Eure Geschichte 06.07.2022 13:57
von Katrin • 373 Beiträge | 373 Punkte

Hallo, ich habe dir eine persönliche Nachricht geschrieben.

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