#1

Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 17:59
von MeLuna • 5 Beiträge | 5 Punkte

Hallo,

nach jahrelangem Kinderwunsch haben wir uns Anfang des Jahres kurz vor meinem 41. Geburtstag in Kinderwunschbehandlung gegeben. Die ganze Diagnostik blieb ohne Ergebnis. Ich bin einfach nur alt. Ende März wagten wir die erste ICSI - eine totale Nullrunde, es kam nicht einmal zum Transfer. Mitte Juli starteten wir die zweite Runde, diesmal mit einem halben Jahr Pimp my Eggs und dreimonatiger TCM-Begleitung im Gepäck. Wir hatten einen einzigen Embryo, und der wollte bleiben...

Blutwerte waren perfekt, im Ultraschall alles zeitgerecht entwickelt. Zweimal durfte ich bereits den Herzschlag sehen. Am 17.09. hätte ich pünktlich zu Beginn der zehnten Woche dann den Mutter-Kind-Pass bekommen sollen. Stattdessen starrte ich wie betäubt auf den Monitor, der mein totes Baby zeigte. Das Herz war einfach stehengeblieben. Und ich verstehe bis heute nicht, wie meins einfach weiter schlagen konnte.

Meine Ärztin riet mir, 1-2 Wochen abzuwarten, ob es sich von alleine auf den Weg machen würde. Dies geschah aber nicht, und so gab sie mir beim Folgetermin Tabletten mit, um die Fehlgeburt zuhause einzuleiten. Am folgenden Wochenende rang ich mich dazu durch, die Tabletten zu nehmen. Binnen zehn Minuten bekam ich alle möglichen Nebenwirkungen und fühlte mich auch körperlich elendiglich. Es kam aber zu keiner Blutung. Also nahm ich etwas später noch eine Dosis ein. Die Nebenwirkungen verstärkten sich, ich fühlte mich hundeelend, und zumindest begann nun eine leichte Schmierblutung.... die über Nacht wieder komplett abklang.

Am nächsten Morgen fuhren wir ins Krankenhaus. Ich war völlig fertig von den körperlichen und seelischen Schmerzen und befand mich im totalen Ausnahmezustand. Trotzdem wurde meinem Freund Corona-sei-Dank der Zutritt ins Krankenhaus verweigert. In der Nacht hatte ich beschlossen um eine Ausschabung zu bitten. Das war eigentlich das Letzte, was ich wollte, aber ich konnte einfach nicht mehr und wollte nur noch, dass es endlich vorbei ist. Der Arzt verweigerte dies jedoch und forderte mich auf, am nächsten Tag zur Einnahme von Mifegyne zu kommen und zwei Tage später stationär noch einmal Cyprostol zu nehmen. Ich war völlig fertig mit den Nerven.

Am nächsten Tag fuhr ich wieder ins Krankenhaus um die Tabletten zu nehmen. Diesmal war aber eine andere Ärztin da, die die medikamentöse Einleitung in meinem Fall für verantwortungslos hielt und mir für den nächsten Tag einen Termin zur Ausschabung gab. Am Heimweg besorgte ich noch schnell was in der Apotheke, und beim Zahlen merkte ich es. Das Blut rann mir schwallartig bis in die Schuhe. Zuhause war ich allein, und nach knapp drei Stunden Krämpfen und Blutungen war es vorbei. Ich habe mein Baby am 12.10. verloren. Und ich war einfach nur dankbar, dass mein Baby friedlich gehen konnte und nicht im OP-Saal aus mir herausgerissen wurde.

Bei der Kontrolle im Krankenhaus am nächsten Tag stellte sich leider heraus, dass ein kleiner Rest (vermutlich Dottersack, meinte der Arzt) zurückgeblieben war, und so wurde dann auch noch die Ausschabung gemacht.

Die körperlichen Schmerzen und Blutungen klingen ab, aber meine Seele ist ein Trümmerfeld und ich komme aus dem Loch einfach nicht heraus. Immer wieder lese ich von Frauen, die nach 1-2 Wochen spätestens wieder arbeiten gegangen sind. Für mich unvorstellbar, es kostet mich schon unfassbar viel Kraft um überhaupt irgendwie durch den Tag zu kommen. Manchmal schaffe ich es tagsüber so einigermaßen, aber spätestens nachts bricht wieder alles über mich herein. Mein Freund hatte noch nicht so den Bezug zu unseren Baby und steckt das recht locker weg. Er versteht zunehmend schwerer, warum ich so sehr trauere. Immerhin habe ich ja schon ein Kind aus einer früheren Beziehung, und so viele Menschen haben es viel schwerer im Leben, und aufgrund meines Alters hätte ich ja wohl mit so was rechnen müssen. Das bekam ich gestern an den Kopf geworfen, weil mich die Nachricht, dass eine Arbeitskollegin schwanger ist, zum Weinen gebracht hat. Er hat sich hinterher entschuldigt, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass alle Welt von mir verlangt, jetzt endlich wieder zu funktionieren und zur Tagesordnung überzugehen. Als sei meine Trauer komplett übertrieben und unangebracht. Ich frage mich selbst schon, ob ich möglicherweise verrückt werde. Ich fühle mich einfach nur unfassbar allein. Auch von meinen Freundinnen kommt nicht viel, und um selbst die Hand auszustrecken fehlt mir die Kraft. Ich arbeite mit einer Therapeutin und auch mit einem Coach, die mir beide gute Impulse geben. Trotzdem wird die Verzweiflung und Trauer nicht weniger, und ich finde einfach nicht zurück ins Leben.

Was hat euch geholfen, wieder aus dem Loch herauszukommen? Wie lange hat es gedauert, bis das Schlimmste überstanden war und ihr wieder einem Alltag gewachsen ward? Was hat euch geholfen Entscheidungen zu treffen (beruflich, Kinderwunsch weiterverfolgen)?

Danke fürs Lesen,
liebe Grüße,
Sabine

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#2

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 18:48
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Screenshot_20211022-185121_Instagram.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)Liebe Sabine, herzlich willkommen und mein Mitgefühl für Deinen Verlust. Beim lesen deiner Zeilen transportiert sich richtig dein Schmerz, deine Verzweiflung und deine Trauer. Es scheint dir wirklich sehr schlecht zu gehen. Gerne würde ich jetzt einen Zauberspruch aussprechen, und die Leichtigkeit möge zurückkehren, nur leider ist das so einfach nicht möglich. Es gibt nicht das und das Rezept , womit man heilt. Jede von uns muss leider durch das tiefe Tal der Verzweiflung und der Tränen gehen bis irgendwann mal der Punkt kommt an dem man anfängt zu akzeptieren und die Hoffnung und Zuversicht zurück kehrt. Wie viele von uns erlebst auch du, dass die Umwelt einfach weiter macht und sich die andere Welt weiter dreht während deine zum stillstand gekommen ist. vielleicht liest Du Dir einmal die Geschichten und Gedichte durch auf der Homepage oder auch die Trauerphasen und die Rituale zur Bewältigung. Vielleicht kommt Dir dadurch eine Idee was dir helfen könnte? So oder so aber gibt dir die Zeit, die du brauchst, und lass dir nicht von außen sagen "jetzt ist mal gut". Keiner von denen hatte die Bindung zu dem Kind wie du sie schon aufgebaut hattest, sie können es schlicht nicht nachvollziehen. Wir sind hier, wenn du uns brauchst, fühl dich gedrückt


zuletzt bearbeitet 22.10.2021 18:53 | nach oben springen

#3

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:03
von sternchen_37 • 286 Beiträge | 287 Punkte

Liebe Sabine.
Ich möchte dich jetzt sehr gern in den Arm nehmen, dich trösten und dich weinen lassen, bis es nicht mehr geht. Es tut mir so unfassbar Leid, was dir widerfahren ist und wie schmerzhaft dein Weg ist.
Die Trauer kann dir - so schwer das auch ist - leider keiner nehmen. Sie wird dich begleiten. Aber es wird leichter. Wirklich. Mit jedem positiven Gedanken, Dankbarkeit für das was du hast, jedem kleinen Sonnenstrahl wird es ganz, ganz langsam besser. Du darfst trauern - du musst sogar. Und das so lange es braucht. Lass dir nichts anderes einreden.
Vielleicht findest du beim Stöbern hier im Forum ein paar Anregungen, wie es uns anderen in ähnlichen Situationen ging. Mir zum Beispiel hat das geholfen- einfach Verständnis. Und Zeit.
Lass uns wissen, wie es dir in der nächsten Zeit geht. Wir sind da.
Liebe Grüße!

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#4

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:17
von MeLuna • 5 Beiträge | 5 Punkte

Danke, liebe Susanne. Genau das ist der Punkt. Für alle geht das Leben ganz normal weiter, als wäre nichts geschehen, während die eigene Welt komplett stillsteht.
Ja, ich wünschte es gäbe ein Geheimrezept, irgendeinen Insider-Tipp, der den Schalter umlegt und einen wieder nah vorn blicken lässt...
Ich habe Angst, dass die Trauer langsam in eine Depression umschlägt.

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#5

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:20
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Natürlich besteht da immer eine leise Gefahr, vor allem hab ich bei dir den Eindruck dass du ziemlich isoliert bist, und nicht den rechten Ansprechpartner hast. Da können sich unausgesprochene Gedanken, die man nur mit sich ausmacht, natürlich verselbständigen. Schaue einmal was für dich passend ist, welches abschiedsrituale sich für dich gut anfühlt und gib Dich dem einmal voll hin. Und außerdem bin ich mir auch sicher dass Dir die Gespräche hier gut tun werden.


zuletzt bearbeitet 22.10.2021 19:32 | nach oben springen

#6

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:22
von MeLuna • 5 Beiträge | 5 Punkte

Danke für deine liebe Worte, Sternchen. Das Lesen im Forum hat mir bei der Vorbereitung auf die Fehlgeburt geholfen. Ich werde weiterleben.

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#7

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:31
von MeLuna • 5 Beiträge | 5 Punkte

Ich bin wirklich ziemlich isoliert. Der Liebe wegen bin ich vor ein paar Jahren in ein anderes Bundesland gezogen, und die Kontakte hier sind bisher eher oberflächlich geblieben. Und meine alten Freundinnen in der Heimat sind gerade vollauf mit ihren Babys beschäftigt.
Die ersten Tage nach der Schocknachricht war mein Freund wirklich viel für mich da. Aber er ist ganz schnell in seinen Alltag zurückgekehrt, mit viel Arbeit, Freunde treffen und Tennisspielen. Da ich seit Ende August wegen starker Schwangerschaftsübelkeit im Krankenstand bin, bin ich viel allein und habe jede Menge Zeit fürs Grübeln.
Aber eine Freundin hat mir vorher geschrieben, ob ich nicht nächste Woche mal zu einem Filmabend oder so vorbeikommen möchte. Das ist vielleicht eine gute Idee.

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#8

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 19:35
von Susanne • 4.601 Beiträge | 4619 Punkte

Ja, das mach! Vielleicht tut es dir gut, probiere es auch.

Welche Komponente bei dir natürlich auch noch erschwerend hinzukommt, ist der erschwerte Kinderwunschweg und das Alter, was natürlich einen enormen Druck und eine große Angst hervorruft, dass dieser Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Habt ihr da schon drüber geredet? Wie es weitergeht?

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#9

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 20:36
von sternchen_37 • 286 Beiträge | 287 Punkte

Das Leben geht ja wirklich weiter.
Aber ohne tief empfundene Freude, mit anhaltender Trauer oder düsteren Gedanken ist es auch nicht wirklich schön.
Hast du mal geschaut, ob es eine Sternenmami-Selbsthilfe-Gruppe bei euch gibt? Vielleicht ist ja der direkte Austausch mit Gleichgesinnten etwas für dich...damit du nicht allein und isoliert bist.

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#10

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 20:38
von sternchen_37 • 286 Beiträge | 287 Punkte

Und dann halte ich es für wichtig, dass du dir was Gutes tust. Dir geht es aktuell nicht wirklich gut. Ein kleines, positives Ziel fernab vom Kinderwunsch kann dich ablenken und dir Mut geben.
Wir haben direkt danach zwei Wochenend-Reisen gemacht und haben uns zusätzlich Karten für Konzert, Theater und Kino gegönnt. Das hat mir gezeigt, dass unser Leben aktuell auch schön sein kann.

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#11

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 22.10.2021 21:10
von MeLuna • 5 Beiträge | 5 Punkte

Eigentlich hätte es unser letzter Versuch sein sollen. Aber mein Freund meinte kürzlich, wir sind diesmal so weit gekommen, in seinen Augen spräche nichts gegen einen weiteren Versuch. Und mein Kinderwunsch ist ja auch nicht plötzlich weg. Aber ich denke mir, es ist diesmal alles von Anfang an so gut gelaufen, wir haben so verdammt viel Glück gehabt. Ich weiß nicht, ob man zweimal so viel Glück haben kann - und wir bräuchten ja schließlich noch einiges mehr an Glück. Und ich seh wie schlecht es mir jetzt geht. Ich weiß im Moment nicht, ob ich so etwas vielleicht noch einmal ertragen könnte. Und die Uhr tickt...

Mit den Zielen ist das so eine Sache. Die letzten drei Jahre war das Ziel die Erfüllung meines Kinderwunsches. Alles andere ist auf der Strecke geblieben. Das war wohl auch ein Fehler. Im Moment erscheint mir nichts wirklich erstrebenswert. Aber das ist genau das Thema, an dem ich gerade mit meinem Coach arbeite.

Eine Selbsthilfegruppe ist vielleicht eine Überlegung wert. Ich werde mich schlaumachen, was es hier in der Gegend gibt.

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#12

RE: Trauer ohne Ende

in Eure Geschichte 24.10.2021 22:15
von Lola • 3 Beiträge | 3 Punkte

Hallo Liebes,

Es tut mir so leid was du durchmachen musstes ich kann dich sehr gut verstehen hatte November 2020 eine Fehlgeburt April 2021 eileiterschwangerschaft und komme seit dem mit mein leben net klar dein Schmerz verstehe ich sehr gut so geht es mir auch fühle mich allein und sehr traurig

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