Liebe Leonie, ich kann dich gut verstehen. Habe gestern erfahren, dass ich die 2. Fehlgeburt erwarte (bin 40 Jahre alt) und bin einfach nur wütend und traurig – und habe noch alle möglichen Schwangerschaftssymptome wie Übelkeit zynischerweise. Mein Mann hingegen hat heute den ganzen Tag im Homeoffice gearbeitet, als wäre nichts. Wir sind eben so richtig aneinandergeraten und haben uns angeschrien, weil ich das einfach empathielos fand und mich einsam und alleine fühle. Heute morgen hat er mich dazu gedrängt, in meinen CoWorking-Space zu gehen, wie jeden Tag. Er hat dann während des Streits ganz heftig angefangen, zu weinen, und meinte, er braucht ein Stück Normalität, sonst macht die Situation ihn zu fertig. Er ist mir leider keine gute Stütze, kann aber auch nicht anders. Er kann auch nicht verstehen, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein und die Fehlgeburt aber in den nächsten Tagen oder Wochen zu erwarten. Schon vor dieser zweiten Schwangerschaft habe ich beschlossen, mir eine Psychotherapie zu "gönnen", um die Kinderlosigkeit ohne ihn zu verarbeiten. Weil es auch mit Freunden und Familie superschwierig ist bei diesem speziellen Thema. Was mich heute auch so wütend macht, ist, dass ich mich um unsere sozialen Beziehungen kümmere und nun auch eine gewisse Zeit wieder den Kontakt mit Schwangeren und Müttern meiden muss, weil es mich zu sehr runterzieht. Für ihn geht erstmal alles so weiter wie bisher. Mich macht das so wütend, dass er nicht checkt, dass es nun für mich doppelt schwierig ist: 2. Fehlgeburt plus soziale Isolation/Einsamkeit.
Wir waren auch mal zusammen bei einer Beratungsstelle bei donum vitae in Bochum (systemische Beratung) für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Das hat gezeigt, dass wir unterschiedlich mit Trauer umgehen und man sich gegenseitig in dieser Situation eben nicht so toll unterstützen kann, wie man das will. Es gehen beide auf dem Zahnfleisch, sodass keiner mehr Kraft hat, den anderen zu stützen. Manchmal ist es besser, man erwartet nicht zu viel vom anderen. Streit ist wohl bei den allermeisten Paaren unvermeidlich. Aber viele Paare kommen auch mit Streit einigermaßen durch diese schwere Zeit und am Ende – ob mit oder ohne Kind – gehen sie gestärkt da heraus. Das wünsche ich mir für euch.