#1

Ein Schicksalsschlag kommt selten allein.

in Eure Geschichte 08.01.2023 19:07
von Bianca22 • 2 Beiträge | 2 Punkte

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen oder was ich mir hierdurch erhoffe, aber ich habe das Gefühl es endlich mal aufschreiben zu müssen, ich habe das Gefühl das es mich sonst noch innerlich zerreißt.
Meine Geschichte beginnt schon mit meiner Kindheit, denn woandere noch gar nicht an eigene Kinder gedacht haben, stand für mich eins immer fest. Ich wollte viele Kinder haben um genau zu sagen vier, denn ich wuchs selbst in einer Familie mit noch drei weiteren Geschwistern auf. Mein Traum war es immer einen guten Abschluss zu machen, zu studieren und danach dann meine eigene Familie zu gründen. Wie man sich denken kann, lief natürlich nicht alles nach Plan. Meinen ersten positiven Schwangerschaftstest hielt ich kurz vor meinen 19ten Geburtstag in der Hand und ein knappes Jahr vor meinen Abiturabschluss. Natürlich kamen mir dort viele Ängste auf, doch letztendlich wollte ich dieses Kind. Doch dann kam wie es kommen musste, ich hatte starke Schmerzen bekommen und das kleine Wesen in meinen Bauch entwickelte sich nicht weiter, ich hatte eine Ausscharbung in der 8ssw. Es war meine erste Begegnung mit dieser Art und riss mir das erste mal den Boden von den Füßen. Doch meine nächste Schwangerschaft ließ nicht lange auf sich warten, denn kurz vor meiner mündlichen Abschlussprüfung hielt ich wieder einen positiven Test und ich war schon in der 9ssw.. Diese Schwangerschaft lief komplett Komplikationslos und wir hielten unser Weihnachtsbaby glücklich und gesund in den Armen. Kurz darauf hielt ich einen erneuten positiven Schwangerschaftstest in den Händen ich war nun 21 Jahre alt und mein zweites Baby sollte nur 2 Monate, nach dem ersten Geburtstag unseres ersten Sohnes kommen. Da unser kleiner Schatz uns so auf Trapp hielt, nahm ich die Schwangerschaft kaum war, irgendwie war alles anders, als in der ersten. Er wurde auch öfters auf Größe und Gewicht kontrolliert da er etwas kleinerer war, aber wohl nicht dramatisch. Doch dann wurde zu wenig Fruchtwasser entdeckt und ich musste paar Tage ins KH, dort wurden die Lungenreifungsspritzen verabreicht und ich wurde einige Male zum Doppler geschickt. Die Ärzte gaben mir aber nie das Gefühl das irgendwas nicht stimmen würde. So war ich kurz vor ET beim Frauenarzt zum Ctg und da die Schwestern so viel zu tun hatten, fragten sie mich ob ich so gehen würde, ohne nochmal zur Frauenärztin. An diesen Moment denke ich sooft zurück und niemand weiß wie sehr es mich zerreißt einfach gegangen zu sein. Ich ging nach Hause und paar Tage später hatte ich auf einmal das Gefühl die Fruchtblase wäre geplatzt und mein Mann und ich sind ins KH gefahren. Dort angekommen sollte ich auf den Stuhl. Die Ärztin schallte und schallte. Dieser Blick den ich sah, hat sich so in mein Kopf gebrannt. Genau in diesem Augenblick wurde mir klar, mein Baby lebt nicht mehr. Denn auf einmal überkam mich dieses Gefühl, diese Gedanke, wann habe ich überhaupt mein Baby das letzte mal gespürt. Und die Ärztin sah mich an, hatte zuvor noch die Oberärztin geholt, um mir zu sagen das kein Herzschlag mehr da ist. In einer Woche wäre der ET gewesen, wie konnte das nur sein. Ich spürte diesen unfassbare Schmerz und diese unfassbare Wut, wie konnte sowas passieren? Wer war Schuld, wie sollen wir diese Zeit nur überstehen. Wir mussten noch eine Nacht wieder nach Hause und ich lag diese Nacht mit roten ausgeheulten Augen und einen totem Baby im Bauch. Am nächsten Tag musste ich dieses Baby tot auf die Welt bringen. Die Geburt fühlt sich für mich nur noch wie ein Film an, als wäre ich nicht aktiv dabei gewesen und hätte nur als Zuschauer zugeschaut. Wir verabschiedeten uns von unserem zweiten Sohn und nie habe ich ihn spielen und aufwachsen gesehen. Uns wurden diese Momente nicht gewährt. Meine Schwägerin bekam ihre Tochter 6 Monate später und immer wenn ich sie anschaue, stelle ich mir vor das unser kleiner Sohn genauso weit wäre wie sie jetzt. Man würde denken jetzt wäre meine Geschichte zu Ende, denn hier ist schon so viel Schmerz und Leid, der eigentlich für ein ganzes Leben ausreichen würde und das mit 21 Jahren. Aber nein denn mein erster Sohn wuchs auf und die Fragen nach einen Geschwisterchen nahmen zu. Und auch in mir der Wunsch nach einem weiteren Baby. Nun ja es folgten einige Jahre die erfolglos blieben, in der Zeit machte ich eine Ausbildung. Kurz vor Ende hatte ich eine erneute Fehlgeburt in der 6ssw.. Diese muss ich gestehen traff mich nicht mehr so hart, ich weiß für viele mag das auch sehr tiefergreifend sein, aber ich glaube um mich zu schützen, war ich innerlich einfach froh, dass es direkt am Anfang geschah. Nun vergingen weiterer 2 Jahre und ich wurde erneut Schwanger mit einem erneuten Abgang in der 6ssw.. Nun hatten wir solangsam die Hoffnung verloren und entschlossen uns zur Kinderwunsch Klinik zu gehen. Bei mir wurde die Gerinnung schon nach meiner Totgeburt untersucht, bis auf den Faktor 11 ist bei mir alles in Ordnung. Kurz nach unserem Besuch bei der Kinderwunsch Klinik wurde ich erneut schwanger. Und man wird es kaum glauben, doch diesmal ging es von Woche zu Woche weiter. Die Angst die ich während der ganzen Schwangerschaft spürte kann ich kaum beschreiben, ich musste oft zur Pränatal, denn unser nächster Sohn war auch von den Messungen immer viel zu klein und leicht. Zum Glück war er ein Kämpfer und biss sich durch. Ich sollte bei 37+0 eingeleitet werden. Und nun ja wie es kommen musste, traf mich Corona genau da als ich zur Einleitung im KH war. Nun musste ich alleine durch die Geburt, ausgegrenzt von der Außenwelt und voll mit diesen Ängsten. Zum Schluss kam es zum Kaiserschnitt und mein kleiner Schatz hatte Anpassungsschwierigkeiten und musste auf die Kinderstation und ich durfte ihn in seinen ersten Lebenstagen nicht sehen. In diesen Tagen habe ich so viel geweint und mich so alleine und machtlos gefühlt. Alles was ich immer wollte war Mama sein und für seine Kinder da sein. Zum Glück haben wir auch diese Zeit gemeistert, unser großer war mittlerweile schon 8 Jahre alt und freute sich so sehr über seinen Bruder. Es war das schönste Gefühl ihn mit seinem Bruder zusehen. Er weiß natürlich auch von seinem anderen Bruder und denkt auch noch an ihn. Ich wollte meinen Sohn diesen Schmerz nie wieder antun. Denn auch er hatte einen Verlust erlitten. Unser Glück schien perfekt, jetzt würde man sagen, du hast alles was du wolltest, sei damit zufrieden. Jaa ich hätte zufrieden sein müssen. Als mein Sohn jetzt 9 Monate alt war, hielt ich einen erneuten Schwangerschaftstest in der Hand der positiv war und das Beste meine Schwester hatte auch einen, wir stellten uns schon vor wie unsere zwei Babys gemeinsam aufwachsen. Das ist jetzt ca. 5-4 Moante her. Die erste Zeit erzählten wir es niemanden. Denn auch sie hatte schon früher Fehlgeburten hinter sich gebracht, nun aber schon 3 gesunde Kinder. Die Zeit verging und bei ihr lief alles Zeitgerecht. Mein kleines Baby war wie schon davor zu klein, da ich das aber kannte versuchte ich mich nicht verrückt zu machen. Doch die Sorge wuchs, als mein Baby in der 18ssw 3 Wochen zurück war, ich konnte es mir nicht vorstellen denn das Herzchen blubberte fleißig und er sah so perfekt aus. Ja genau er, denn wir hatten wieder einen Sohn im Bauch. Nun der Schock es muss eine Fruchtwasser Untersuchung gemacht werden. Der Arzt führte diese noch am gleichen Tag aus. Die Nacht darauf bekam ich Blutungen und im KH angekommen, sagte man mir man müsse die Ergebnisse abwarten, denn das Herzchen blubbert immer noch fleißig. Am nächsten Tag bei der Frauenärztin, erzählte diese mir auf einmal etwas von Geburt Einleiten, mein Baby hätte keine Chance. Aber das wollte ich nicht wahr haben. Ich würde das Baby nicht gehen lassen solange das Herz schlug. Ich wollte kämpfen für mich und meinen Sohn. Doch plötzlich bekam ich Schmerzen, Schmerzen die sich nach einer Zeit als Wehen herausstellen. So fuhr ich alleine ins KH, mein Mann passte auf unsere Kinder auf. Dort angekommen waren die Schmerzen kaum aushaltbar. Genau das sagte ich auch bei der Anmeldung. Doch ich sollte nur Urin abgegeben und warten. Vor dem Kreißsaal wartete ich und wartete und mir liefen die Tränen die Wangen hinunter, vor Angst und auch vor Schmerzen. Niemand kümmerte sich Um mich. Und plötzlich gab es ein Plock und mir lief das ganze Blut die Beine hinunter und vieles mehr, war es mein Baby ist es einfach aus mir raus geströmt. Der Gedanke ließ mich um Hilfe schreien und hysterisch weinen. Nun kam endlich jemand und ich sollte in den Behandlungsraum. Überall war Blut und ich sollte mich auf den Stuhl setzen und was ich dort sah konnte ich kaum glauben das Herzchen schlug immer noch. Doch es wurde ein Blasensprung vermutet. Ich kam im einen ruhigen Raum, doch mein Mann durfte immer noch nicht zu mir. Dort lag ich also allein mit meinen Gedanken und diesen fürchterlichen Schmerzen Niemand machte was, bis sie mein lautes weinen nicht mehr überhören konnten und mir endlich Schmerzmittel kamen. Nach einer weiteren Zeit kam dann die Ärztin schallte noch einmal und nun ja, was soll ich sagen mein kleiner Prinz hatten den Kampf verloren. Der Herzschlag war weg. Nun wollte sie mich noch von unten untersuchen und da kam er schon raus, mit einem leichten Pressen brachte ich einen weiteren Sohn tot zur Welt. Dies ist jetzt nicht mal ein Monat her, über die Feiertage habe ich meinen Schmerz weg gedrückt. Doch in mir ist so viel Schmerz und soviel Wut, wieso passierte mir andauernd sowas. Alles was ich wollte war die Mutter von meinen vier Kindern zu sein, doch was zurück blieb, waren zwei an meiner Hand und zwei im Himmel. Ich liebe sie unglaublich und versteht mich nicht falsch ich bin unglaublich dankbar für sie, doch lässt es den Verlust nicht vergehen. Nun werde ich bald 30 und ich weiß nicht wohin mit dieser Trauer, ich versuche immer stark zu sein, niemanden meinen Schmerz sehen zu lassen. Streichel den Schwangeren Bauch meiner Schwester und freue mich wirklich unglaublich für sie, doch es erinnert mich leider auch an meinen den ich verloren haben.
Der Text ist sehr lang und vielen Dank für die, die ihn lesen.

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#2

RE: Ein Schicksalsschlag kommt selten allein.

in Eure Geschichte 08.01.2023 19:36
von Susanne • 4.593 Beiträge | 4611 Punkte

Liebe Bianca, herzlich willkommen und mein tiefstes Mitgefühl für all Deine Verluste. Es ist schrecklich, was Du alles erleben musstest. So viele traumatische Erlebnisse, so viel Schmerz, Verzweiflung und Ohnmacht. Hast Du schon über therapeutische Hilfe nachgedacht? Wie geht dein Mann mit der Trauer um? Könnt Ihr Euch stützen? Fühl Dich gedrückt, Susanne


zuletzt bearbeitet 08.01.2023 19:36 | nach oben springen

#3

RE: Ein Schicksalsschlag kommt selten allein.

in Eure Geschichte 09.01.2023 19:29
von Bianca22 • 2 Beiträge | 2 Punkte

Ja also leider ist es nicht so einfach einen Therapie Platz zu bekommen und wenn ich ehrlich bin weiß ich auch nicht wo ich die Zeit dafür her nehmen soll. Mein Mann unterstützt mich sehr und ist eine gute Stütze, aber viele Momente in denen es mir schlecht geht möchte ich ihn gar nicht erzählen, weil ich ihn nicht wieder traurig machen möchte. In Moment kommen oft Momente hoch, bei denen ich das Gefühl habe keine Luft mehr zu bekommen. Ich weiß das ich dann ruhig bleiben muss und ruhig Atmen muss, aber es ist einfach so schwer mit anzusehen wie sich die Welt drum herum weiter dreht.

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#4

RE: Ein Schicksalsschlag kommt selten allein.

in Eure Geschichte 09.01.2023 19:36
von Susanne • 4.593 Beiträge | 4611 Punkte

Ich würde dir wirklich raten Dir professionelle Hilfe zu suchen. Das klingt nach einer posttraumatischen Belastungsstörung. Man kann auch online über Zoom oder Teams von zuhause aus Gespräche führen.

Die Nummer kennst du vielleicht 116117? Ansonsten profamilia, Caritas, oder diakonie


zuletzt bearbeitet 09.01.2023 19:42 | nach oben springen

#5

RE: Ein Schicksalsschlag kommt selten allein.

in Eure Geschichte 09.01.2023 19:54
von Nelke • 2.171 Beiträge | 2181 Punkte

Hallo Bianca,
so viele Schicksalsschläge kann ein Mensch kaum aushalten. Es tut mir sehr leid 😔
Susanne schrieb bereits, dass sich dein derzeitiges befinden gar nicht gut anhört. Das eine ist, wenn Tränen kommen, das andere dieses Luft wegbleiben... oder wenn alles eng wird. Du musst da nicht alleine durch!
Bei uns hier auf der Stadt gibt es auch eine Beratungsstelle für Familie und unter anderem auch für schicksalsschläge und Krisensituationen. Deine Frauenärztin/Arzt kann dir bestimmt auch helfen baldmöglichst einen Platz zu bekommen.
Wenn du ganz dringend mit jemanden reden musst gibt es auch die Telefonseelsorge.

Wir sind für dich da!
Liebe Grüße, 🌺

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